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Die Grenze

Die Grenze

Titel: Die Grenze Kostenlos Bücher Online Lesen
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Armeslänge von sich, dann verzerrte sich sein Gesicht wie von Schmerz, und er ließ sie los. Briony rappelte sich auf, drosch auf seine Schultern und sein Gesicht ein. Ferras Vansen tat nicht mehr zu seiner Verteidigung, als den Kopf einzuziehen, bis Barrick sie von ihm wegzog.
    »Schau doch!« sagte ihr Bruder und zeigte mit dem Finger. »Da, Briony!«
    Sie begriff zuerst gar nicht, was sie durch den Tränenschleier sah — zwei dunkelfleckige Haufen am Boden neben dem Bett des Prinzregenten. Dann erkannte sie den Eddon-Wolf auf dem zerschlitzten Waffenrock der einen Gestalt und die schwarzglänzende Blutlache unter beiden und begriff, daß Kendricks Wachen ebenfalls tot waren.

7

Die Schwestern vom Bienentempel
    Tage:

Jedes Licht zwischen Sonnenaufgang
Und Sonnenuntergang
Ist es wert, mindestens einmal dafür zu sterben.

Das Knochenorakel
    Der rauchige Duft der Jasminkerzen und das stete schläfrige Summen des Bienentempels, das halb ängstliche, halb erregte Atmen der anderen Mädchen, all die Geräusche und Gerüche, die in jenem Augenblick um sie waren, da sich die Welt von Grund auf veränderte, sollten ihr nie wieder ganz aus dem Kopf gehen. Aber wie hätte es auch anders sein können. Es wäre ja schon überwältigend genug gewesen, wenn er einfach nur leibhaftig vor ihnen gestanden hätte, der Lebende Gott auf Erden, Autarch Sulepis Bishakh am-Xis III., Erwählter des Nushash, der Goldene, Gebieter des Großen Zeltes und des Falkenthrons, Herr über alle Stätten und alles Geschehen, dessen Name tausendfach gepriesen sei. Doch was Qinnitan in diesem Moment widerfuhr, war unfaßbar — und würde es immer bleiben.
    Noch ein Jahr später, wenn sie ein Leben in der Pracht und Muße des Frauenpalastes hinter sich lassen und in Todesangst durch die dunklen Straßen des Großen Xis rennen würde, sollte jeder einzelne Augenblick dieses Tages in ihr lebendig sein — eines Tages, der wie so viele andere damit begann, daß ihre Freundin Duny sie noch vor Sonnenaufgang wachrüttelte.
    Duny war an diesem Morgen so aufgeregt, daß sie ihre Stimme kaum zu dem vorgeschriebenen Flüstern herabdämpfen konnte. »Oh, steh auf, Qin-ya, los, aufstehen! Es ist soweit!
Er
kommt. Hierher! In den Bienentempel!«
    Die Geschehnisse dieses Tages sollten Qinnitan in himmlische Höhen erheben, in einen Stand der Ehre, den sie sich nie hätte träumen lassen, schon deshalb, weil es lächerlich gewesen wäre, so etwas auch nur zu denken. Und dennoch, wenn sie gewußt hätte, was auf sie zukam, hätte sie alles getan um zu fliehen, so wie sich ein in die Falle geratener Schakal in seinem verzweifelten Freiheitsdrang das eigene Bein durchbeißt.
     
    Sie eilten den Gang entlang, in Zweierreihen, das Haar noch feucht von dem Wasser, das sie sich bei der rituellen Waschung über Kopf und Gesicht gegossen hatten, die am Körper klebenden Gewänder Quell einer frischen Kühle, die sich in der zunehmenden Tageshitze nicht lange halten würde. Qinnitans schwarzes Haar hing in losen, glänzenden Locken herab. Wenn es naß war, sah man die rote Strähne gar nicht. Als sie ganz klein gewesen war, hatten die alten Frauen aus der Katzenaugenstraße diese Strähne ein Hexenmal genannt und das Abwehrzeichen gegen das Böse gemacht, aber dann hatte sich kein weiteres Anzeichen irgendwelcher Hexenkräfte und überhaupt nichts Außergewöhnliches an ihr gezeigt. Ein paar andere Kinder hatten sie »Streifenkatze« genannt, aber ansonsten hatte, als sie alt genug war, um durch die Straßen und Gassen der Nachbarschaft zu strolchen, ihr Haar nicht mehr Aufmerksamkeit erregt als ein Muttermal auf der Nase oder Schielaugen.
    »Aber warum kommt er hierher?« fragte Qinnitan, noch immer nicht ganz wach.
    »Weil er wissen will, was die Bienen sagen«, sagte Duny. »Ist doch klar.«
    »Was sie wozu sagen?« Die Priesterinnen und die Herrin des Bienentempels sprachen oft davon, daß Autarchen gekommen waren, um von der Weisheit der heiligen Bienen, jener winzigen Orakel des allmächtigen Feuergottes Nushash, zu profitieren, aber die Namen, die sie nannten, stammten aus weit, weit zurückliegenden Zeiten — Xarpedon, Lepthis, Herrscher, von denen Qinnitan überhaupt nur aus den prahlerischen Erzählungen der Hüterinnen des Großen Bienenstocks wußte. Doch jetzt würde der echte, lebende Autarch, der Gott auf Erden persönlich kommen, um die Bienen des Feuergottes zu befragen. Das war kaum zu glauben. Ihr Vater war sein Leben lang Priester im Nushash-Tempel

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