Die grosse Fahrt der Sable Keech
Pasteurisierung als zum Kochen verwendet. Je weniger Virus sie oral einnahm, desto langsamer die Veränderungen, die er an ihr bewirkte. Ihre Haut wies schon einen bläulichen Schimmer auf, und einige ihrer Neigungen spielten ins Irrationale. Eine ungemütliche Tatsache schien ihr jedoch offenkundig: Sie hatte von der Riesenschnecke gewusst!
Spielte ihr das Gedächtnis Streiche? Nein, sie und Ambel hatten von dieser Kreatur scherzhaft als Whelkus titanicus gesprochen, und sie erinnerte sich, dass sie in einem der vielen Berichte des Hüters über die Ökologie Spatterjays davon gelesen hatte. Wie war dann ihr Verhalten auf der Insel zu erklären? Ganz einfach. Sie war nicht immun für den Überdruss eines langen Lebens – war es doch solcher Überdruss, der sie ursprünglich hergeführt hatte, um Ambel zu suchen –, aber sie hatte sich für immun gehalten, was die beinahe selbstmörderischen Bestrebungen anbetraf, zu denen diese Langeweile andere Menschen provozierte. Offenkundig hatte sie sich damit überschätzt, obwohl der Impuls zur Selbstzerstörung bei ihr unbewusst wirkte. Der eigene Verstand trog sie. Erlin schnitt eine Grimasse. War das auch der Grund für sie, auf diesem gefährlichen Planeten zu bleiben? Blieb sie – statt dass sie sich bemühte, von Kapitän Ambel zu lernen, wie man lebte – lieber an einem Ort, wo es leicht fiel zu sterben?
Verdammt, genug damit!
»Weißt du, Windtäuscher wird nicht mit euch zufrieden sein«, sagte sie unvermittelt, ehe sie sich warmes Fleisch in den Mund stopfte.
»Die Zufriedenheit des genannten Segels kümmert mich nicht«, entgegnete Zephir, der die Flügel jetzt zusammengefaltet hatte. Bei früheren Landungen in Tageslicht hatte er sie jeweils ausgebreitet und damit den Landeplatz in Dunkelheit getaucht. Das bestätigte Erlin, dass der Stoff fotoaktiv war und das Golemsegel sich auf diese Weise Energie verschaffte – zweifellos in Ergänzung zu den internen Energiequellen.
Erlin nickte und wischte sich das nasse Kinn ab. »Er hat bislang keine Gesetze erlassen, also gilt hier immer noch das Recht des Stärkeren. Denkt ihr, dass ihr stark genug seid, um euch gegen ihn oder gegen Ambel oder irgendeinen der übrigen Alten Kapitäne zu stellen?«
»Keiner von denen weiß, wo sie ist.« Keuch wandte sich mit diesen Worten an Zephir und deutete mit einer Klaue auf Erlin.
Erlin drehte sich zu ihr um. »Bis Sniper, unser derzeitiger Hüter, euch findet, denn er hat viele Augen. Er ist noch weniger als der alte Hüter bereit, sich an das Prinzip der Nichteinmischung zu halten. Bestimmt wird er die Alten Kapitäne informieren, und womöglich ergreift er sogar selbst drastische Maßnahmen.«
Die beiden normalen Segel blickten Zephir an und warteten auf seine Entscheidung.
»Du hältst dich für wichtig«, stellte das Golemsegel fest.
Erlin runzelte die Stirn und bemerkte jetzt, wie arrogant sie sich angehört hatte. Wahrscheinlich resultierte das aus ihrer völligen Ichbezogenheit.
Zephir fuhr in beinahe verträumtem Ton fort: »Es liegt erst wenige Tage zurück, dass Sniper nicht mehr Spatterjays Hüter ist; und den alten Hüter, der seine Aufgaben wieder aufgenommen hat, plagen zu viele andere Sorgen. Niemand wird zu deiner Rettung kommen, Erlin, also könntest du genauso gut deine Mahlzeit beenden und etwas schlafen. Noch liegt ein weiter Weg vor uns.«
Erlin befolgte diesen Ratschlag. Sie wusste, dass sich ihr kein Ausweg bot, bis sie die Insel der Toten erreichten, und zumindest bis dahin hatte sie keinen Einfluss auf das eigene Schicksal. Sobald sie allerdings dort eintrafen, gedachte sie verdammt noch mal einigen Ärger zu stiften! Sie streckte sich auf hartem Fels aus und fiel bald in unruhigen Schlaf, und sie träumte, dass eine Riesenwellhornschnecke aus der Dunkelheit heraus auf sie zusteuerte.
Im tiefsten Dunkel der Nacht, nachdem der Mond untergegangen war, weckte ein heftiges Scharren Erlin. Sie öffnete verschlafen die Augen und blickte zu Zephir hinauf. Die Augen des Segels bildeten schwarze Höhlen, die auf einer Stelle hinter und neben ihr ruhten.
»Intelligenz ist Leben. Intelligenz ist das Gegenteil von Tod«, wisperte das Golemsegel.
»Was? Was soll das?«
Sie fuhr zurück, als der türkise Blitz einer Partikelkanone die Nacht erhellte. Das Scharren wurde zu einem Klappern, als etwas an der Seite des Atolls herabpurzelte. Schnauf sprang in die Luft und stürzte sich über die Kante aus Erlins Blickfeld, um schließlich mit einem
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