Die große Volksverarsche
dass dieser vermeintliche Öko-Kraftstoff Umwelt und Klima insgesamt um Etliches mehr belastet als herkömmliche fossile Kraftstoffe. Das größte Problem ist das für den Biosprit verwendete Palmöl. Die Industrie, scheint es, kann nicht mehr ohne, denn es fließt nicht nur in die deutschen Tanks, sondern auch massenhaft in Küche, Kosmetikprodukte und in »grünen« Strom – getarnt als »pflanzliches Öl (oder Fett)«. Ein Milliardengeschäft auf Kosten des Regenwalds. Denn der wachsende Bedarf an Palmöl beschleunigt das Abholzen und die Brandrodungen der letzten tropischen Regenwälder in Indonesien und Malaysia: Für die gigantischen Palmölplantagen gehen Millionen Hektar Regenwald über kohlenstoffreichem Torfboden in Flammen auf. Allein auf der Insel Borneo entspricht das einer Ausdehnung von fünf Fußballfeldern – pro Minute! Eine Katastrophe in Sachen CO 2 -Emissionen, denn der Regenwald samt seinem Torfboden ist der wichtigste CO 2 -Speicher der Welt und somit unsere Klimaversicherung.
Aus dem Nähkästchen: Als wir 2007 und 2008 eine ZDF-Doku zum Thema Regenwaldvernichtung und Orang-Utans machten, buchten wir für eine Stunde einen Helikopter, um die letzten Flecken des Tieflandregenwaldes in Ost-Kalimantan zu filmen. Doch Pustekuchen: Wir flogen ausschließlich über Kahlschlag oder endlose Monokulturen für die Palmölproduktion. Später erfuhren wir, dass diese Palmölplantagen von der Europäischen
Union und der deutschen Bundesregierung massiv subventioniert wurden. Und so verdienen korrupte indonesische Politiker und Plantagenbesitzer (oft ein und dieselbe Person) gleich dreifach: Erst rasieren sie den Regenwald weg und verkaufen Teak, Meranti, Bangkirai und andere edle Hölzer für viel Geld, vor allem nach Europa. Dann greifen sie die Subventionen für die Plantagen ab und verkaufen uns schließlich ihr Palmöl. Win-win-win für die wenigen, ohnehin schon reichen indonesischen Agrar-Unternehmer, lose-lose-lose für Umwelt, Klima und die letzten Orang-Utans. Um also unsere hiesigen Luxuskarossen mit »sauberem« Sprit und grünen Gewissens durch die Stadt schaukeln zu können, haben wir nicht nur die Umwelt noch mehr zerstört, sondern auch viel Geld bezahlt. Dümmer geht’s nicht.
Für Prof. Florian Siegert von der LMU München besteht die Hauptschwierigkeit darin, dass intakter Regenwald für die Industrie keinen ökonomischen Wert hat. 40 Und so gilt die Ölpalme ebenso wie der Raps gemeinhin als »Pflanze aus landwirtschaftlichen Betrieben« und somit als nachwachsender Rohstoff. Aber die EU ist ja umweltbewusst: Deshalb darf für Kraftstoffe laut EU-Richtlinie nur Palmöl verwendet werden, für das weder Primär-, sprich Regenwald noch Torf zerstört wurde. Klingt gut, oder? Wenn da die kleine Einschränkung »seit 2008« nicht wäre ... Demnach darf Palmöl von Plantagen, die vor 2008 angelegt wurden, bedenkenlos in Biokraftstoffen eingesetzt werden. Mit anderen Worten: eine »grüne Amnestie« – subventioniert mit unseren EEG-Geldern. 41
Auch heimische Biogasanlagen werden um ein Vielfaches mehr mit sogenannten Energiepflanzen gefüttert als mit Bioabfällen,
vor allem mit Mais wegen der hohen Energieausbeute. Darum werden hiesige Agrarflächen zu riesigen Monokulturen im Dienste der Bioenergie. Nicht nur, dass diese »grünen Wüsten« (Biodiversitätsödnis) extrem schädlingsanfällig und somit ebenso extrem pestizidbelastet sind (laut neuester Forschungserkenntnisse der TU Dresden können Pflanzenschutzmittel sogar Parkinson auslösen); der andere, nicht minder folgenreiche Effekt heißt im Fachjargon ILUC und steht für Indirect Land Use Change (indirekte Landnutzungsänderung). Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die Verdrängung von Anbauflächen für Nahrungsmittel auf bisherige Wald- oder Brachflächen oder gar in Drittländer; denn nur um Biosprit zu tanken und auf ökostrombetriebenen PCs zu schreiben, möchte wohl niemand hierzulande auf Nahrung verzichten ... Da es für viele deutsche landwirtschaftliche Betriebe inzwischen lukrativer ist, Energiepflanzen anzubauen, als Kartoffeln oder Kohl, muss das Gemüse jetzt mit unnötig viel Wasseraufwand in trockenen Ländern wie Spanien, Marokko und Ägypten angebaut und von dort in unsere Läden transportiert werden. Wenn man den ILUC-Wert in die Klimabilanz von Biosprit einberechnet, wie es ein Entwurf der EU für Nachhaltigkeitskriterien bis vor Kurzem vorsah, entpuppt sich herkömmlicher Diesel plötzlich wieder
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