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Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Titel: Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Torday
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landwirtschaftlicher Geräte sind zu sehen. Ich halte den Atem an aus Angst, dass Captain Skuldiss jeden Augenblick auftaucht und sein Krückengewehr auf uns richtet.
    »Kester«, flüstert Polly.
    Mit einem Wink gebe ich ihr zu verstehen, dass sie still sein soll. Ich springe über einen rostigen Pflug, der umgestürzt daliegt, ducke mich im Schatten der Pflugschare und gebe Polly ein Zeichen, mir zu folgen.
    »Ich muss dir zuerst etwas sagen«, wispert sie und kauert sich neben mich. Ich presse die Lippen aufeinander und schüttle den Kopf. Jetzt ist dazu keine Zeit.
    Die Tür eines Trucks geht auf und wird wieder zugeschlagen, dann sind Stimmen und schwere Tritte zu hören. Ich wage einen Blick über den Pflug und sehe, wie mehrere Männer und Frauen über den Hof laufen.
    »Kester, es ist wichtig«, sagt Polly stur wie immer.
    Ich spähe über die eiserne Schanze, um herauszufinden, wohin die Leute gehen.
    Ihr Ziel ist eine Scheune, groß wie ein Flugzeughangar, mit grauen Betonmauern und Stahltüren. Sie sieht aus wie ein Gefängnis. Kurz darauf sind sie angekommen und die Dunkelheit der Scheune verschluckt sie.
    Ich zeige kurz in die Richtung, komme hinter dem Pflug hervor, renne zu den verlassenen Ställen nebenan und kauere mich in eine halb geöffnete Tür. Als ich mich umdrehe, sehe ich Pollys schattenhafte Gestalt. Sie hat sich nicht von der Stelle gerührt. Ich winke wie verrückt, will sie dazu bewegen, zu mir zu kommen, aber sie rührt sich nicht vom Fleck. Ich werfe die Arme in die Luft.
    »Was ist, wenn uns jemand sieht?«, zischt sie.
    Ich blicke mich kurz um und zähle bis fünf, dann signalisiere ich ihr, dass die Luft rein ist. Sie kommt aus ihrem Versteck und läuft geduckt los, als genau in dem Moment weitere schemenhafte Gestalten auftauchen. Ich mache ihr ein Zeichen, dass sie stehen bleiben soll, und das macht sie auch, mitten auf dem Hof. Für eine Sekunde ist sie wie erstarrt, bückt sich dann und tut so, als wolle sie ihren Schnürsenkel zubinden.
    Die Männer und Frauen ziehen an ihr vorbei und verschwinden im Schatten der Scheunen. Ich warte mit angehaltenem Atem. Als sie auch an mir vorbeikommen, zähle ich sie einen nach dem anderen. Sogar aus der Entfernung spüre ich, wie Polly am ganzen Leib zittert. Aber alle gehen vorbei, ohne auch nur in unsere Richtung zu blicken.
    Alle, bis auf den Letzten.
    Der Mann bleibt direkt vor uns stehen, er ist unsicher auf den Beinen und schwankt. Ich kann sein Gesicht nicht erkennen, er ist nur ein verschwommener Schatten, der eine schimmernde Flasche in der Hand hält. Er starrt Polly an. Er scheint seinen Augen nicht zu trauen, denn er reibt sich das Gesicht und bekommt einen Schluckauf. Er blickt auf die Flasche, schüttelt den Kopf und wirft sie über die Schulter – wo sie dumpf auf dem Boden landet.
    Er kratzt sich am Kopf, dann torkelt er weiter, den anderen hinterher.
    Polly kommt zu mir gerannt. Wir drücken uns flach gegen die Scheune, in der die Leute verschwunden sind. Ich lausche. Entfernt sind Stimmen zu hören, auch Musik. Und noch ein anderes Geräusch, ein Geräusch, von dem ich nicht weiß, woher es stammt. Aber es ist auch egal. Diese Leute haben mir meine Tiere weggenommen. Also wissen diese Leute auch, wo sie jetzt sind.
    »Du musst mir zuhören, Kester«, flüstert Polly eindringlich. »Ich habe diese Frau gebeten, uns zu helfen, und auf dem Weg zu der Maschine hat sie mich nach all diesen Sachen gefragt. Ich musste ihr sagen, was wir vorhaben.«
    Gut. Dann weiß Mutter wenigstens, wie ernst die Sache ist und dass wir nicht nur kindische Spielchen treiben.
    »Auch wenn du mir nicht zuhören willst, Kester, ich erzähle es dir trotzdem. Sie hat mich gefragt und ich habe ihr geantwortet. Ich musste ihr alles erzählen. Alles, auch das, was Captain Skuldiss über dich gesagt hat.«
    In meinem Kopf leuchtet ein Warnlicht auf.
    »Sie hat mich gefragt, wie du heißt, und ich habe es ihr gesagt. Verstehst du? Sie wusste, wer du bist.«
    Das Warnlicht blinkt und dreht sich.
    »Und nicht nur das. Sie wusste auch, wer dein Vater ist.«
    Ich starre sie an und …
    Plötzlich quiekt eine vertraute Stimme zu unseren Füßen.
    * Na endlich! Man hat es wirklich schwer mit euch – könnt ihr nächstes Mal nicht bleiben, wo ihr seid? *
    * Maus!* Ich knie mich nieder. Ich hätte nie gedacht, einmal so froh darüber zu sein, eine Maus zu sehen. Sie streicht sich mit den Vorderpfoten über die Schnurrbarthaare, dann stellt sie sich auf die

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