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Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Titel: Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Torday
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Wort, blickt jeden an. Polly und ich halten uns verborgen im Schutz der Dunkelheit und der Leute, deshalb sieht sie uns nicht.
    Ihre Lippen leuchten im Feuerschein blutrot, ihre Haare sind straff zusammengebunden. Und sie hat etwas bei sich, das sie zuvor nicht hatte. In ihrem Gürtel steckt ein großes Messer, das bei jedem Schritt aufblitzt.
    Sie lächelt. Vorsichtig fischt sie eine Zigarre aus ihrer Tasche. Mit einer knappen Handbewegung zieht sie das Messer und schneidet die Zigarrenspitze ab. Sie zündet sie an einer Flamme an, nimmt einen tiefen Zug und bläst den Rauch in die Luft.
    Dann beginnt sie zu reden und geht dabei weiter im Kreis.
    »Es fing alles mit der Roten Pest an. Wir haben unser Vieh verloren. Manche haben ihre Haustiere verloren. Alle Tiere, die so typisch sind für dieses Land – unser Land. Wir haben unsere Ernten verloren. Wir haben …«, hier macht sie eine Pause und stochert mit der Zigarre in die Luft, »alles verloren, was wir kannten.«
    Ein Murmeln setzt ein. Mit einer Handbewegung bringt Mutter die Menge zum Schweigen und steckt sich die Zigarre wieder in den Mundwinkel.
    »Dann kam Facto. Sie haben versprochen, das Virus auszurotten. Unsere Sicherheit zu gewährleisten. Uns zu ernähren. Sie haben uns Zusagen gemacht.« Sie senkt die Stimme, sodass wir Mühe haben, sie zu verstehen. »Was fangen wir jetzt mit diesen Versprechungen an?«
    Ein zorniges Raunen geht durch die Reihen. Sie wiederholt ihre Frage, diesmal lauter und wütender.
    »Ich habe gefragt: Was fangen wir jetzt mit diesen Versprechungen an?«
    »Sie lügen einem ins Gesicht!«, ruft ein rothaariger Mann in der vordersten Reihe und springt auf.
    »Ich habe deine Worte vernommen, Joseph, ich habe sie vernommen«, sagt Mutter und gibt ihm ein Zeichen, sich wieder hinzusetzen. »Sie haben auch noch die allerletzten Tiere getötet, die das Virus uns gelassen hat, und sie wurden es trotzdem nicht los. Sie haben die Menschen dazu gezwungen, in die Städte zu ziehen, und sie haben dieses Land – unser Land – zur Quarantäne-Zone erklärt.« Gejohle und Buh-Rufe. »Und dann …«
    Sie senkt den Blick, verzieht das Gesicht, als brächte sie es nicht fertig, den Satz zu Ende zu sprechen.
    »Dann haben sie uns nicht einmal mehr Formula gegeben.«
    Ich stoße Polly in die Seite, aber sie hat nur Augen für Mutter.
    »Wir sollten eher sterben, als weiter auf dem Land zu wohnen – jenem Ort, wo wir unser ganzes Leben verbracht haben.« Diesmal johlen ihre Zuhörer nicht, sondern stöhnen gequält auf.
    »Und zum Schluss kam die größte Unfassbarkeit …« Sie spuckt ins Feuer und als Antwort darauf zischen die Flammen. »Facto hat uns mitgeteilt, dass ihr bester Tierarzt – der Mann, der sich eigentlich um das Wohlergehen unserer Tiere kümmern sollte –, dass ausgerechnet dieser Mann die Rote Pest überhaupt erst in die Welt gesetzt hat. Er war derjenige, dessen Experimente außer Kontrolle geraten sind und der die Hölle auf Erden entfesselt hat.« Das Raunen schwillt zu einem bedrohlichen Grollen an. Mutter grinst höhnisch bei den nun folgenden, ganz leise gesprochenen Worten und ich muss mich anstrengen, sie zu verstehen, während ich durch den Rauch des Feuers spähe und sie den Namen sagen höre.
    »Professor Dawson Jaynes.«

Kapitel 31
    Die zornigen Stimmen mehren sich und werden lauter, die Menschen fangen an zu schreien und klopfen mit Blechnäpfen auf den Boden. Ich ducke mich, fühle mich gebrandmarkt, so als wäre der Name meines Vaters in glühenden Buchstaben auf meinen Rücken geschrieben. Ich kann weder Polly noch der Maus ins Gesicht sehen – aber das ist egal, ich nehme sie sowieso kaum wahr.
    Denn in Gedanken bin ich weit weg. Ich bin an einem anderen Ort und es ist sechs Jahre her.
    »Ich arbeite gerade an einem neuen …«, sagte Pa. Wie üblich beendete er seinen Satz nicht, ja er drehte sich nicht einmal vom Computer weg, obwohl es schon Mitternacht war und er den ganzen Abend lang noch nichts gegessen hatte. Genauer gesagt, hatten wir den ganzen Abend lang noch nichts gegessen. »Das könnte etwas wirklich … Bedeutendes werden.« Er zog die Tastatur unter einem wirren Haufen von Papieren auf seinem Schreibtisch hervor. Bunte Formen flimmerten über den Bildschirm, Blasen und verdrehte Spiralen und stachelige Kugeln. »Ja, Kes, das könnte alles verändern. Deine Ma wäre bestimmt …«
    Klick!, machte der Computer.
    Mutter macht eine Pause, um ihre Worte wirken zu lassen. Sie schreitet einen

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