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Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Titel: Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Torday
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Kester«, sagt sie. »Hat dir das Fest bisher gefallen? Oder hat es dir nicht in den Kram gepasst? Glaubst du wirklich, wir hätten dich so einfach laufen lassen?« Sie stößt einen Laut aus wie Bodger. »Das Beste kommt doch erst noch. Der Höhepunkt.«
    Alle schauen mit angehaltenem Atem zu, als sie an ihren Gürtel greift und das schwere Messer zieht.
    »Du«, sagt sie, »du bist unser Höhepunkt.«
    Sie drückt mir das Messer in die Hand. Es ist massiv und schwer, ich kann es kaum halten, mein Arm sinkt nach unten – ich will nicht, ich kann nicht.
    »Na los«, sagt sie und zeigt auf den Hirsch, der sich immer wieder aufbäumt. »An alledem ist dein Vater schuld. Und so sieht die Wiedergutmachung bei uns auf dem Land aus. Der erste Schnitt ist deiner.«
    Ich reiße entsetzt die Augen auf. Aber zugleich konzentriere ich mich, ich präge mir alles genau ein: das zischende Feuer, das bis zu den Sternen lodert, Mutter, die mir die Hände auf die Schulter gelegt hat und mich festhält, die Gesichter von Hunderten von Außenseitern, die auffordernd nicken und mich bedrängen, die lachen und klatschen, als handele es sich nur um ein Spiel.
    In der hintersten Reihe sehe ich Pollys bleiches Gesicht. Sie blickt mich todernst an, denn sie weiß es. Egal was ich tue, es wird unweigerlich und für alle Zeiten Teil unseres Lebens sein. Sie weiß, dass nun alles auf meinen Schultern lastet. Erst ganz zuletzt wage ich es, den Hirsch anzusehen. Er ist in höchster Anspannung, seine Flanken sind schweißbedeckt.
    Der dicke Mann zerrt mit dem Seil am Geweih und der Hirsch brüllt vor Schmerzen auf.
    »Halt still, du elendes Biest, verdammt!«, schreit der Dicke.
    * Was soll ich tun?* , frage ich den Hirsch zitternd vor Angst. Ich schaffe es kaum, die Worte an ihn zu richten.
    Er wirft den Kopf vor und zurück unter der Gewalt der Stricke, sein Geweih biegt sich unter der Anspannung, knackt wie Bäume im Sturm. Aber seine Erwiderung ist ebenso unerbittlich wie das Knistern der Flammen. Er antwortet mit einer Gegenfrage.
    * Stimmt das, was sie gesagt hat? *
    Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll.
    Erneut schreit er auf, weil der Dicke ihn am Kopf zurückreißt. Mutter legt ihre Hand auf meine Hand, mit der ich das Messer umklammere; sie drückt so unerbittlich zu, dass ich vor Schmerz nach Luft schnappe.
    »Keine Angst, wir halten ihn fest!«, flüstert sie in mein Ohr. Als ob ich Angst hätte. Angst vor dem Hirsch – niemals. »Sieh zu, dass du ihm die Kehle glatt durchschneidest, so macht man es richtig.« Sie tritt einen Schritt zurück und wartet; sie macht mir ein Zei chen, zuzustechen, wann immer ich so weit bin. »Wir alle werden heute Abend dank deiner Hilfe vorzüglich speisen. Wir werden speisen wie seit Jahren nicht mehr.«
    Wie konnte ich nur so irren? Der Hirsch hatte recht, wir dürfen keinem anderen menschlichen Wesen vertrauen.
    Die Mädchen in der vorderen Reihe schlagen wieder die Trommeln. Die Leute stampfen mit den Füßen, machen mit ihren Bechern Lärm, sie sind ungeduldig.
    » FESTMAHL ! FESTMAHL !«
    » STICH ZU ! STICH ZU !«
    Ich weiß, diese Menschen haben schrecklichen Hunger. Sie sind seit Monaten nicht mehr satt geworden. Wir alle haben Hunger. Ich sehe den Hirsch an, sehe in seine braunen rollenden Augen, sehe, wie sein Herz unter der Brust schlägt, sehe sein mächtiges Geweih – und ich will ihm eine Antwort auf seine Frage geben, denn das bin ich ihm schuldig.
    * Ich weiß es nicht. *
    * Dann gibt es nur eine Möglichkeit, es herauszufinden *, sagt er und knirscht mit den Zähnen. *Tue, was du tun musst. Ein großer Hirsch blickt seinem Schicksal immer ins Auge. Ich bitte dich nur um eines: Rette das Letzte Wild. *
    Ich blicke auf das Messer in meiner zitternden Hand und dann wieder zu ihm. Ich sehe Zuspruch in seinen Augen, sonst nichts. Meine Gedanken rasen, ich rufe mir alles ins Gedächtnis, was er mir beigebracht hat, aber diesmal – diesmal sind wir umzingelt. Hier kommen keine Käfer aus der Erde gekrochen, um uns zu retten, und auch keine Schlangen aus dem Wasser.
    Als könnte sie meine Gedanken lesen und als wäre sie mit meinem Gehirn verbunden und nicht bloß an meinem Arm, fängt meine Uhr plötzlich an zu summen und zu blinken. Ich will eigentlich weder Mutter noch den Hirsch aus den Augen lassen, trotzdem werfe ich einen kurzen Blick auf das blinkende, helle Rechteck.
    Dort steht nur ein einziges Wort.
    NICHT
    Dann ist es ebenso schnell weg, wie es aufgeleuchtet hat, und

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