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Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition)

Titel: Die Große Wildnis: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Torday
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glücklich, dass sie tagsüber fliegen müssen)
    Käfer, Ohrwürmer und so weiter (Kleiner Wolf weigert sich stur, sie zu tragen)
    Über hundert Tiere. Unsere Schar ist inzwischen fast so groß wie das Letzte Wild, das wir im Ring des Waldes zurückgelassen haben.
    Denn nicht alle Tiere sind gestorben.
    Ein Windstoß fährt über die felsige Höhe und zerzaust Haare und Fell. Ich vergrabe die Hände in den Jackentaschen, um meine Finger zu wärmen. Da drüben, inmitten der Türme und Lichter, leben und arbeiten Menschen – und irgendwo wartet Pa.
    Hoffentlich.
    Der Wind nimmt an Schärfe zu und ich ziehe mir den Schal enger um den Hals.
    Gemeinsam machen wir uns wieder auf den Weg, der im Zickzackkurs steil abwärts führt bis an die Randbezirke von Premia.
    Polly hält sich die Hand vors Gesicht, um den beißenden Wind abzuwehren. Die Kröte springt von Pollys Schoß und sucht hinter ihrem Rücken Schutz. Inzwischen schlagen uns eisige Böen entgegen – der Wind sticht wie tausend Nadeln auf unserer Haut, aber wir kämpfen dagegen an und erreichen schließlich den Fuß des Steilhangs.
    Jetzt stehen wir völlig ungeschützt auf freiem Feld – zwischen uns und dem Stacheldrahtzaun der Stadt liegt nichts als eine schiefergraue Schotterebene, über die der Wind dunkle Staubwolken wirbelt. Niemandsland – so nennen sie diesen Ort.
    Mein Blick schweift über die wüste Ebene bis zu den hell erleuchteten Fenstern der Türme. Da wohnen ganz normale Leute, die ein ganz normales Leben führen. Ich kann sogar einige dunkle Silhouetten hinter den Glasfassaden erkennen (Kleiner Wolf kann die Leute vielleicht schon riechen).
    Keiner sagt ein Wort.
    Ich fahre mit der Hand über die schweißnasse Flanke des Hirschs. Er ist so warm, selbst im eiskalten Wind. Sowohl die Tauben als auch unsere neuen Vögel flattern am Himmel wie Laubblätter im Herbststurm. Der General vergräbt sich immer tiefer in meiner Jackentasche und zieht die Fühler ein. Kleiner Wolf steht neben uns, seine Augen sind zu Schlitzen verengt. Der Wind zieht an seinen Lefzen, reißt an seinem Fell und drückt seine Ohren nach unten.
    * So einen Wind habe ich noch nie erlebt. Wahrscheinlich ist es der kälteste Wind der Welt. Aber wir werden ihn besiegen, es ist ja nur Wind .*
    Doch als wir auf die Türme zugehen und die gläsernen Kuppeln und schimmernden Mauern mit jedem Schritt immer höher aufragen, knickt der Hirsch plötzlich unter uns weg und wir fallen zu Boden. Ich stehe sofort wieder auf, aber der Hirsch liegt der Länge nach da, sein Geweih berührt die Erde.
    * Was ist los? *
    Der Hirsch schüttelt den Kopf. Er holt tief Luft, ringt um Atem und murmelt undeutliche Worte, die der Wind davonträgt. Seine Flanken beben, sein Gesicht zuckt.
    Die anderen scharen sich um uns.
    Mit zitternden Fingern drücke ich den Knopf an meiner Uhr und richte den letzten schwachen Strahl, den ich der ausgelaugten Batterie noch abtrotzen kann, auf die Augen des Hirschs.
    Im Lichtschein meiner Uhr sehe ich ein tiefes, pulsierendes Rot.
    * Seit wann weißt du es? *, frage ich ihn.
    * Von Anfang an. Schon als ich dich zu uns gerufen habe *, flüstert er.
    * Aber deine Augen waren immer braun, du hast nie gesagt – *
    * Du weißt doch, die Augen brennen erst lange nach Ausbruch der Krankheit. Es ist das letzte untrügliche Zeichen .* Er blickt zu mir hoch. * Wenn ich dir gesagt hätte, dass ich mich angesteckt habe – hättest du dich dann bereit erklärt, uns zu helfen? Wärst du auf meinen Rücken gesprungen und mit uns aufgebrochen? *
    Die Feldmaus, die sich bis jetzt im Geweih des Hirschs festgeklammert hat, klettert von seinen Hörnern. * Als die Meinen in unserem Nest am Verhungern waren *, bei der Erinnerung daran muss sie schlucken, *da haben wir immer etwas Bestimmtes gemacht. Ich weiß nicht, ob es hilft, aber –*
    * Jetzt ist wirklich nicht der Moment für eine neue Tanzeinlage, Maus! *
    Sie ist gekränkt.
    * Ich würde nie auf die Idee kommen, in einem Augenblick wie diesem ans Tanzen zu denken – für wen hältst du mich, Junge? Ich bin eine Feldmaus mit Anstand im Leib! * Aufgebracht kratzt sie sich mit der Pfote die Nase. * Also, wenn du deine Vorurteile einen Augenblick lang für dich behalten könntest – das hier hat meinen Leuten immer geholfen .* Flink klettert sie über die Beine des Hirschs auf seine Brust. Er lässt ein tiefes Knurren hören, aber er schüttelt sie nicht ab, und so macht sich die Maus daran, mit ihren Zähnen und Krallen

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