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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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hältst du mich? Nein, aber ich hatte eine gewisse Schwäche für Inspektor Aymard, den schmalen, dunklen Polizisten. Der sich immer in das Mädchen verliebt hat, das am Ende starb, in jeder Folge gab es eines, meistens eine Brünette.
    Thomas lachte.
    – Genau, und Inspektor Bruno kam am Ende immer an und trug sie in seinen Armen, er kam aus dem Meer oder aus dem Verbrechernest, das Mädchen in den Armen, und sagte traurig …
    Philippe drapierte die Serviette über seinen ausgestreckten Armen und sagte mit Grabesstimme:
    – »Tut mir leid, Frédéric, sie hat es nicht geschafft.« Und dann weinte Inspektor Aymard ein paar herbmännliche Tränen, während Inspektor Bruno ihm in den Rücken boxte. Ich fand das phantastisch ergreifend. Ja, aber der, den ich wirklich mochte, das war Angelini, der fesche Mafiaboß. Erinnerst du dich an die Folge, in der er erschossen wird und man erfährt, daß er und Kommissar Colonna Jugendfreunde waren? Wie Angelini das Goldkreuz abnimmt, das er um den Hals hat, und es Colonna reicht, während er seine letzten Worte hervorzischt?
    Thomas nickte glücklich und flüsterte heiser:
    – »Pierino, mein Freund, gib das hier Marie, sie weiß, daß ich sie immer geliebt habe.«
    Martine schielte zu Henri Gaumont. Er sah ebenso verständnislos aus wie sie.
    – Wer war Marie? fragte sie vorsichtig.
    Philippe seufzte übertrieben.
    – Madame Colonna natürlich, kapierst du’s nicht? Colonna und Angelini hatten beide Marie geliebt, und Angelini wählte den Weg des Verbrechens, als er in der Liebe enttäuscht wurde, das war Tiefenpsychologie, diese Geschichte, und so ergreifend, daß ich zu Hause im Jungenzimmer Rotz und Wasser geheult habe.
    Thomas hatte die Fernsehzeitschrift vom Couchtisch geholt und blätterte eifrig darin.
    – Schaut mal, sagte er enthusiastisch, auf einem der flämischen Kanäle fängt in zwei Minuten eine Folge an, die können wir doch angucken. Sag ja, Martine, du bekommst vielleicht ein paar Inspirationen, du wirst zumindest sehen, wie eine polizeiliche Untersuchung ablaufen soll.
    Philippe war schon aufgestanden und hatte den Fernseher angeschaltet.
    – Martine und Henri machen Kaffee, während Thomas und ich Kultur konsumieren. Steht da, welche Folge es ist?
    – »Der Baumeister«, sagte Thomas.
    – Oh, sagte Philippe, das ist gut, das ist die Folge, in der sich Inspektor Bruno die Koteletten abrasiert und als Bauarbeiter undercover geht.
    Martine hatte gerade die Espressomaschine angestellt und Oberst Gaumont gezeigt, wo die Espressotassen waren. Jetzt stutzte sie. »Der Baumeister« – das war doch gerade die Folge von »Die Bullen von Saint-Tropez«, die FabienLenormand am Abend, bevor er ermordet wurde, im französischen Fernsehen gesehen hatte? Die Folge, die er gesehen hatte, bevor er Nathalie Bonnaire angerufen und gesagt hatte, er habe etwas »ganz Unglaubliches« entdeckt?
    Es war wohl das beste, wenn sie sich auch vor den Fernseher setzte.
    Als Greta Lidelius eingeschlafen war, ging Daniel in den Wald hinter dem Pfarrhof, um Pilze zu sammeln. Sophie kam mit. Vom Pilzesammeln verstand sie nicht viel, aber sie spürte gern federndes Moos und nadelbedeckten Boden unter den Füßen. Sie atmete ein und füllte die Lungen mit Walddüften – Borke und geschlagenes Holz, Sumpfporst und Gagelstrauch, feuchter Humus. Das Wollgras leuchtete weiß auf dem kleinen Moor neben dem Pfad, und sie sah den goldgelben Schimmer von Multbeeren, machte sich aber nicht die Mühe, hinzugehen und sie zu pflücken. Daniel füllte schnell den Korb mit Pfifferlingen, darunter der eine oder andere Butterpilz und Blutreizker.
    – Du bist so tüchtig, sagte Sophie.
    – Das hat mir Birgitta beigebracht, sagte Daniel, erinnerst du dich an die Waldausflüge, die wir mit ihr und Maria und Jonas gemacht haben, bevor wir nach Paris gezogen sind? Birgitta zeigte uns die Stellen, an denen es Pilze gab …
    – … und ich ging zwischen den Tannen umher und las meine Theatermonologe, um die Stimme zu trainieren, sagte Sophie, erinnerst du dich, wie ich euch gezwungen habe, die Rollen in »Ein Mittsommernachtstraum« zu lesen?
    Die Erinnerung war plötzlich so deutlich, daß sie fast den Geschmack von Thermoskaffee und dunklen belegten Broten schmeckte und die kleinen Kinder in gestreiften Pullisund farbenfrohen Gummistiefeln zwischen den Baumstümpfen herumhopsen sah.
    Daniel lächelte.
    – Das war lustig, sagte er, Jonas und ich fanden alles gut, was Fechtszenen enthielt, »Romeo und

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