Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
abgeholt hatte, und falls ja, um welche Zeit. Aber Christian war nicht der Ansicht, daß es Sinn hatte, jetzt in den Justizpalast zu fahren.
– Berger ist vermutlich noch in Frankreich, sagte er, du kannst einen Haftbefehl nicht ohne deine Rechtspflegerin ausstellen, und alles ist bereit für die große Razzia gegen Berger morgen früh. Leg dich lieber schlafen, zumindest ich habe das vor.
Philippe und Henri Gaumont waren im Begriff zu gehen, als sie wieder hinunterkam. Der Oberst bat, kurz telefonieren zu dürfen, und ging hinauf ins Arbeitszimmer, um ungestört reden zu können.
– Darf man gratulieren? fragte Thomas und sah Philippe mit einem Lächeln an.
Philippe starrte ihn an.
– Ja, klar, sagte er säuerlich, zu Neujahr geben wir unsere Verlobung bekannt und legen bei Inno Hochzeitslisten aus.Aber erzähl es nicht Titine, sie kriegt einen Schock. Ach was, langsam habe ich die Fünfminutenverhältnisse satt, wir werden sehen.
Der sarkastische Tonfall konnte nicht ganz verbergen, daß er beinah glücklich aussah.
KAPITEL 9
Montag, 26. September 1994
Villette
Schleier von Morgennebel lagen über dem Fluß, und das Gras war noch feucht von Tau, als die Polizeiwagen in die Auffahrt zu Stéphane Bergers Villa fuhren. Martine, die als letzte in ihrem eigenen Auto fuhr, bog vor dem Tor nach rechts ab und parkte neben der Mauer, die das Haus umgab. Mit den Händen in den Taschen ging sie die gepflasterte Auffahrt hinauf. Trotz ihrer weiten Wolljacke, einem extravaganten Einkauf aus der neuen Jil-Sander-Boutique in Paris, fröstelte sie ein wenig in der kühlen Morgenluft.
Sieben Polizisten waren für die Razzia zu Hause bei Berger abkommandiert worden, während bedeutend mehr eingesetzt worden waren, um die Büros von Berger Rebar und von der kommunalen Ausbildungsgesellschaft in Messières zu durchsuchen. Aber Martine hatte sich dafür entschieden, zu der Durchsuchung in Bergers Haus in Villette mitzufahren. Die Experten von der Finanzabteilung der Polizei wußten besser als sie, nach welchen Dokumenten man suchen mußte, um Beweise für dubiose Geschäfte zu finden. Was sie interessierte, war Berger selbst, der Mann, der früher einmal Istvan Juhász gewesen war und der jetzt im Zentrum der zwei Mordfälle stand, in denen sie gerade ermittelte.
Die Polizisten hatten einen lückenhaften Ring um die Villa gebildet, um sich zu vergewissern, daß weder Menschen noch Dokumente hintenherum verschwanden. Jacques Denisot, der Kriminalinspektor aus der Finanzabteilung,stand am Eingang, den Hausdurchsuchungsbeschluß in der Hand. Mit seiner goldgefaßten Brille und seinem Trenchcoat sah er aus wie ein junger Wirtschaftsprüfer, der gerade Karriere machte. Neben ihm stand Julie, die mit einem der Polizeiwagen gekommen war.
Denisot nickte Martine zu, als sie auf die Treppe trat.
– Okay, dann fangen wir an, sagte er und drückte auf die Klingel.
Durch die Tür hörten sie drinnen ein schwaches Signal. Es klang wie eine kleinere Kirchenglocke.
Nichts passierte. Denisot klingelte noch einmal.
– Wir haben eine Ramme, falls nötig, sagte er leise, aber wir geben ihnen noch ein paar Minuten, es ist früh am Morgen.
Da wurde die Tür von einem jungen Mann mit zerzausten Haaren, barfuß und nur mit Jeans bekleidet, einen Spaltbreit geöffnet.
– Worum handelt es sich? fragte er und sah die kleine Gruppe auf der Treppe verwirrt an.
Jacques Denisot las mit fester Stimme den Hausdurchsuchungsbeschluß vor.
– Ich weiß nicht, ob ich Sie reinlassen darf, sagte der junge Mann unsicher und sah sich um, als suchte er jemanden, den er um Rat bitten konnte.
– Keiner hat dich um Erlaubnis gebeten, Junge, sagte Denisot, mach einfach einen Schritt zur Seite. Dieses Papier hier gibt uns das Recht, das Haus zu durchsuchen, und das einzige, was du machen kannst, ist, nicht im Weg zu sein.
– Wer sind Sie übrigens? fragte Martine, während Denisot die Tür weit aufschlug und den übrigen Polizisten Zeichen gab.
– Fabrice Renaud, murmelte der junge Mann, ich arbeitehier, pflege den Garten und sehe für Monsieur Berger nach dem Haus.
– Wohnen Sie hier?
Fabrice Renauds Wangen wurden rot.
– Na ja, ich wohne da hinten im Gärtnerhäuschen, er zeigte vage nach rechts in den Garten, aber heute nacht war ich hier, um … nach dem Haus zu sehen, sozusagen.
Während sie redeten, waren die Polizisten ins Haus geströmt und hatten angefangen, systematisch die Räume zu durchsuchen. Am interessantesten waren die
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