Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Mal, als er gefragt hat, habe ich gesagt, Eva hätte gebeten, es ihr für eine Ausstellung zu schicken. Danach, glaube ich, hat er es vergessen. Aron war ja so zerstreut in allem, mit Ausnahme seiner Forschung.
– Und Birgitta, sagte Sophie, was wußte sie? Daniel hat erzählt, sie hätte genau dieses Gemälde auf einem Bild in einer Reportage über Berger gesehen.
– Birgitta war damals zwölf, und sie war ein scharfäugiges Kind, dem es sicher auffiel, daß ein Bild verschwunden war. Trotzdem habe ich keine Erinnerung daran, daß sie mich danach gefragt hätte. Sie hat vielleicht Aron gefragt und die Geschichten zu hören bekommen, die ich ihm erzählt hatte. Aber stell dir vor, daß Istvan das Bild doch behalten hat! Da hatte ich recht damit, daß es ihm etwas bedeutete.
Sie sah Sophie ängstlich an.
– Du glaubst doch nicht, daß Istvan etwas mit dem Mord an Birgitta zu tun gehabt haben kann? Das kann ich ganz einfach nicht glauben!
»Die Bullen von Saint-Tropez« rollten weiter über den Bildschirm, aber keiner sah mehr hin, seit Martine ihre Offenbarung gehabt hatte. Thomas erklärte eilig, daß Istvan Juhász ein Mann war, der in Martines Voruntersuchung vorkam.
– Aber Berger kann nicht Istvan Juhász sein, sagte Martine und zog ihre Finger durch die Haare, der Gedanke hat mich schon einmal beschäftigt, aber es ist nicht möglich.Berger ist in Paris geboren, daran scheint kein Zweifel zu herrschen, und Istvan war ein Flüchtling aus Ungarn!
Thomas warf einen Blick auf das Gemälde seiner Mutter.
– Unmöglich ist es nicht, sagte er, meine Mutter zum Beispiel ist auch in Paris geboren, damals war Großvater da Pastor in der schwedischen Kolonie. Sie ist als schwedische Staatsbürgerin und mit schwedischen Eltern geboren worden, aber dennoch steht in ihrem Paß Paris als Geburtsort.
– Ich kenne noch ein besseres Beispiel, sagte Philippe, Roman Polanski.
– Der polnische Regisseur? sagte Martine.
– Der polnische Regisseur, stimmte Philippe ein, er wurde in Paris geboren, aber seine Eltern zogen, ein paar Jahre bevor der Zweite Weltkrieg ausbrach, zurück nach Polen. Wir hatten öfter Frage-und-Antwort-Spiele im Filmklub, und Polanskis Geburtsort war immer eine gute Frage, fast alle antworteten falsch darauf. Also hatte Berger vermutlich ungarische Eltern, die in Paris wohnten, aber den Fehler machten, in ihr Heimatland zurückzukehren, als er klein war.
– Ich kann ergänzen, sagte Henri Gaumont mit seiner tiefen Stimme, daß »Istvan« die ungarische Entsprechung für »Stéphane« ist, wenn ich mich recht erinnere. Philippe, hast du nicht für deine Studien der ungarischen Stahlindustrie ein ungarisches Lexikon gekauft? Ich glaube, du hast es in der Aktentasche.
Philippe verschwand in die Diele und kam mit einem dicken Lexikon zurück. Er blätterte eine Weile und stellte mit einem triumphierenden Ausruf fest, daß »juhász« auf Ungarisch dasselbe war wie »berger« auf Französisch.
Martine entschuldigte sich und ging ins Arbeitszimmer hinauf. Sie mußte darüber nachdenken, was das hier bedeutete.Vielleicht mußte sie sogar wieder zum Justizpalast fahren. Sie wußte jetzt, was Fabien Lenormand am Montag abend entdeckt hatte. Ebenso wie sie jetzt hatte er in Stéphane Berger Istvan Juhász erkannt. Aber was hatte er dann getan? Sie wußten, daß er zum Seminar in der Solvay-Bibliothek gefahren war, in der Hoffnung, Berger damit konfrontieren zu können. War er dann zu Berger nach Hasselt gefahren und dort seinem Schicksal begegnet? Martine hatte über Annick Dardennes Besuch in Hasselt am Sonntag noch nichts gehört, nahm aber an, daß jemand sie informiert hätte, wenn Annick etwas Entscheidendes gefunden hätte.
Und was hatte Birgitta Matsson entdeckt? Warum hatte sie Fragen nach Istvan Juhász gestellt?
Das Telefon klingelte. Es war Sophie vom Pfarrhof in Granåker. Die Schwägerin erzählte, daß Istvan Juhász Stéphane Berger war und daß Birgitta Matsson das vermutet haben mußte.
– Eines von Mamas Gemälden verschwand von hier, zusammen mit Istvan, sagte Sophie, und Birgitta wurde mißtrauisch, als sie es in einer Paris-Match-Reportage über Stéphane Berger sah.
– Aha, das war die Reportage, die sie in der Handtasche hatte, konstatierte Martine. Welches Gemälde war es, das damals verschwand?
Sophie beschrieb das Porträt von Aron Lidelius, und Martine erinnerte sich, wie ungerührt Berger es ihr gezeigt hatte, wie er erzählt hatte, daß er es zufällig in einem
Weitere Kostenlose Bücher