Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
dezimeterdicke Kotelette pfiff. Gleichzeitig stürzten Kommissar Colonna und Inspektor Aymard mit gezogenen Waffen durch die Hintertür herein. Ein heftiges Feuergefecht brach aus.
– Was machst du, sagte Thomas verdutzt, es klingt, als wärst du mitten in einer Schießerei der Drogenmafia gelandet.
– In gewisser Weise, aber nur im Fernsehen, sagte Martine, ich gucke eine alte Folge der »Bullen von Saint-Tropez«.
– Was für ein Zufall, sagte Thomas, ich habe heute gerade darüber geredet, jemand hat gefragt, ob ich etwas über Stéphane Berger wisse.
Martine horchte auf.
– Erzähl, sagte sie, ich habe heute auch etwas über Berger gehört.
– Ach was, sagte Thomas, es war eine lokale Bürgermeisterin, die das aus irgendeinem Grund wissen wollte, aber können wir jetzt nicht über was Netteres reden? Was du anhast, zum Beispiel …
Seine Stimme veränderte sich, wurde tief und warm.
Martine lehnte sich auf dem Sofa zurück und stellte alle Gedanken an Mordopfer, Erz, manipulierende Geschäftsleute und die Rolle des Untersuchungsrichters in der Gesellschaft ein.
KAPITEL 4
Donnerstag, 22. September 1994
Granåker / Villette
Greta Lidelius wachte am Morgen klarblickend und munter auf und beharrte darauf, aufzustehen und sich anzuziehen, um zu frühstücken.
– Ich werde hier nicht herumliegen wie ein altes Weib, wenn mein fescher Enkel den ganzen Weg von Belgien hergekommen ist, um mich zu besuchen, sagte sie zwinkernd zu Anna-Karin und Ulla von der ambulanten Altenbetreuung, die gekommen waren, um ihr bei den morgendlichen Verrichtungen zu helfen.
– Dann sorgen wir dafür, daß Gretas Haare richtig gut aussehen, sagte Anna-Karin munter und bürstete sorgfältig die kurzen weißen Haare der Bischöfinwitwe, während ihre Kollegin die Fenster zum Lüften weit aufriß und eine schnelle Runde mit dem Staubsauger machte.
Thomas leistete seiner Großmutter Gesellschaft, als sie in der frischgelüfteten Bibliothek frühstückte. Er trug das Tablett mit Tee, geröstetem Brot und Rührei herein und stellte es auf den kleinen, höhenverstellbaren Tisch aus Chrom und Glas, der in dem alten Pfarrhof hätte fremd aussehen müssen, der aber irgendwie hineinpaßte. Er schwenkte die Tischplatte über den Sessel, auf dem Greta mit einem Extrakissen hinter dem Rücken saß.
– Der ist so praktisch, dieser Tisch, sagte sie zufrieden. Ich habe ihn von meiner Freundin Eileen in Paris zur Hochzeit bekommen, sie hatte ihn selbst entworfen. Sie wollte, daß ich mich für Möbeldesign und Architektur interessiertestatt für Malerei, und ich habe darüber nachgedacht. Aber dann habe ich deinen lieben Großvater kennengelernt und hatte dann andere Pläne. Er war ein fescher Kerl, Aron, alle schwedischen Mädchen in Paris waren ganz verrückt nach ihm, aber er hat mich gewählt. Ja, ja, so kann es gehen. Aber Eva ist wenigstens Malerin geworden.
Heute wirkte seine Großmutter völlig klar im Kopf, dachte Thomas erleichtert. Vielleicht stand es mit ihr doch nicht so schlecht. Er erzählte, daß Birgitta Matsson zu Besuch gewesen sei und mit Greta etwas habe diskutieren wollen.
– Ja, die tüchtige Birgitta, sagte die Bischöfinwitwe, ich erinnere mich schon, daß sie gestern hereingeguckt hat, aber ich war zu müde, um etwas Sinnvolles zu sagen. Deine Oma wird langsam alt, weißt du. Du weißt wohl noch, was für ein Wildfang Birgitta war, als sie hier im Haushalt gearbeitet hat, aber sie ist ein wirklicher Kraftmensch geworden. Die stehen in Habtachtstellung vor ihr, alle Männer, und sie hat so viel für die Kommune getan.
Nach dem Frühstück wollte Greta Lidelius einen Spaziergang zum Friedhof machen. Thomas half ihr in den Mantel und reichte ihr seinen Arm, als sie die kurze Strecke unter den gelben Birken entlang der Auffahrt zum Pfarrhof gingen, über den Kiesweg und hinein durch die Öffnung in der Friedhofsmauer. Es raschelte und schnaufte unter den Laubhaufen im Graben.
– Hörst du, ein Igel, sagte die Bischöfin zufrieden. Ich habe eine Igelfamilie im Garten, die sind so gut gegen Mäuse und Schnecken.
Sie gingen zum Familiengrab, wo Aron Lidelius zusammen mit dem Sohn Johan, der 1935, erst sieben Jahre alt, an Scharlach gestorben war, ruhte. Eine späte Rose blühte indem kleinen Rosenbusch auf dem Grab, und jemand hatte einen Strauß farbenprächtiger Astern dorthin gestellt.
– Mein kleiner Johan, wie ich ihn vermißt habe in all diesen Jahren, sagte Greta Lidelius traurig, aber es wird wohl
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