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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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Zentrale von Berger Rebar hatte gesagt, daß Fabien Lenormand versucht habe, sowohl Jean-Claude als auch Arnaud Morel anzurufen, erinnerte sich Martine. Er hatte also die beiden Personen erreichen wollen, die in Stéphane Berger nicht den Retter des Feinwalzwerks von Forvil sahen.
    Als habe er ihre Gedanken gelesen, sagte Jean-Claude:
    – Übrigens, du möchtest vielleicht ein Plauderstündchen mit Stéphane Berger, nach allem, was ich erzählt habe? Ich weiß zufällig, daß er im Augenblick in aller Heimlichkeit in Villette ist, in seiner kleinen Villa am Fluß. Und außerdem habe ich zufällig die Nummer seines Mobiltelefons!
    Er nahm aus der Tasche seines Sakkos einen Zettel und übergab ihn ihr mit einer flotten Geste:
    – Bitte sehr, Frau Richterin! Und jetzt darf ich mich für einen ganz bezaubernden Abend bedanken!
    Schon wieder hatte Martine vergessen, die Außenbeleuchtung einzuschalten, als sie am Morgen von zu Hause weggegangen war, und das Haus in Abbaye-Village sah dunkel und ungastfreundlich aus, als sie nach Hause kam. Die Straßenlaterne vor dem Haus war erloschen. Sie fluchte vor sich hin, während sie in der Tasche nach dem Schlüssel suchte, ohne im Dunkeln etwas zu sehen. Aus dem Garten hörte sie ein Miauen, und die Katze des Nachbarn kam lautlos über das feuchte Laub angeschlichen. Martine fand den Schlüssel,fummelte eine Weile herum, bis sie ihn ins Schlüsselloch bekam, schloß auf und machte die Lampe über der Haustür an. Deren Lichtkreis reichte bis aufs Trottoir, und sie sah, daß dort zerbrochenes Glas lag. Das müssen die Jungen der Nachbarn gewesen sein, die sich damit amüsiert hatten, Straßenlaternen zu zerteppern, dachte sie.
    Die Katze glitt auf dem Gartenweg heran, unter dem Lichtkegel herbstlaubfarben. Sie betrachtete Martine und miaute noch einmal.
    – Nein, sagte Martine, ich will heute abend keine Gesellschaft, jedenfalls nicht deine.
    Sie hörte ein letztes vorwurfsvolles Miauen, als sie die Tür hinter sich zuzog.
    Wie am Abend zuvor duschte sie, schenkte sich ein Glas Wein ein und hoffte, daß Thomas von sich hören lassen würde. Als sie sich gerade auf dem Sofa niedergelassen hatte, klingelte auch das Telefon.
    – Hallo, Liebling, sagte sie eifrig, wie schön, daß du anrufst. Ich hoffe, Greta war durch meinen Anruf heute nicht zu gestreßt.
    Sie hörte im Telefon schwere Atemzüge.
    – Hallo, Thomas, hallo, rief sie.
    Aber die langsame, tiefe und offenbar verstellte Stimme im Hörer gehörte nicht Thomas.
    – Öffnen Sie die Tür, Madame Poirot, sagte sie, da draußen ist ein Geschenk für Sie.
    Sie hörte das Klicken, als die Verbindung unterbrochen wurde. Mit heftig klopfendem Herzen ging sie in die Diele. Sollte sie es wagen, die Haustür zu öffnen? Sie guckte durch die kleine Glasscheibe in der Tür hinaus. Es schien zumindest niemand da draußen zu stehen.
    Sie ging zurück ins Wohnzimmer und holte den schwerenFeuerhaken. Mit ihm in der Hand schloß sie die Haustür auf und öffnete sie vorsichtig, Millimeter für Millimeter.
    Nichts passierte. Sie schob die Tür ganz auf und sah hinaus.
    Es lag etwas auf der Außentreppe, etwas Kleines und Rotgelbes. Ihr Magen reagierte zuerst. Ihr drehte sich in trockenem Brechreiz der Magen um, während ihr Gehirn noch verständnislos versuchte, den Gegenstand, der vor ihrer Tür lag, zu identifizieren. Spitze Ohren, leer starrende gelbe Augen, der Pelz verfilzt von Blut, wo einmal der Körper gewesen war.
    Es war der abgeschnittene Kopf der rotgelben Nachbarskatze.

KAPITEL 5
    Freitag, 23. September 1994
    Brüssel / Villette / Granåker
    Am frühen Freitagmorgen fuhr Christian de Jonge nach Brüssel, um sich Fabien Lenormands verschwundenes Auto anzusehen.
    Es war mehr als Glück, daß es gefunden worden war. Christian hatte im Laufe des Donnerstags eine Anfrage nach dem in Frankreich zugelassenen grünen Renault des französischen Journalisten abgeschickt, ihm war klar, daß die Chance, ihn zu finden, nicht besonders groß war. Er sah düster vor sich, wie das Fax aus Villette in dem Haufen eiliger Fahndungsmeldungen und administrativer Anordnungen, die jeden Eingangskorb bei jedem Polizisten in Chefposition überschwemmten, unterging. Aber als er und seine Frau am Donnerstag abend ihr Essen in der Brasserie in der Nähe des Bahnhofs beendet hatten, entschloß er sich trotzdem, im Justizpalast vorbeizuschauen, für den Fall, daß wider Erwarten neue Informationen gekommen sein sollten. In dem Augenblick, als er

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