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Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Hedström
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zierlichen Buchstaben. Bevor Christer Matsson bei der Gewerkschaft Karriere gemacht hatte und Ombudsmann geworden war, war er in einer inzwischen geschlossenen Fabrik angestellt gewesen, die Arbeitskleidung herstellte, und jetzt war er anscheinend an die Nähmaschine zurückgekehrt. Gestern hätte sie sich vielleicht darüber lustig gemacht, daß er sich in seiner neuen Handwerkerinkarnation den alten Hofnamen zugelegt hatte, jetzt aber führte das nur dazu, daß sie sich noch elender fühlte.
    Eine Klingel bimmelte, als sie den Raum betrat. Es duftetenach Leder, Firnis und Kaffee. Ein Mann stand mit dem Rücken zu ihr und schnitt an einem länglichen Tisch Leder zu. An einer kurzen Theke mit einer altmodischen Registrierkasse stand eine junge Frau mit langen, braunen Haaren, gekleidet in Jeans, weißes T-Shirt und Lederschürze. Das war Maria Matsson, Birgittas Tochter.
    Sie blickte auf, sah Sophie, strahlte und flog förmlich auf sie zu.
    – Fia! rief sie aus und warf sich Sophie um den Hals.
    Christer Matsson drehte sich um. Er sah gut aus, bemerkte sie ungerührt, grau an den Schläfen, aber schlank und klaräugig, wo er vor zwanzig Jahren rotäugig gewesen war und einen Bierbauch gehabt hatte, der sich über dem Gürtel wölbte. Sophie und er waren damals Gegner gewesen, und als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, hatte sie vom Balkon aus einen Eimer Wasser über ihn gegossen, und so wunderte sie sich nicht darüber, daß er skeptisch dreinschaute, als er sie bemerkte. Aber er lächelte ein prüfendes Lächeln und kam ihr mit ausgestreckter Hand entgegen.
    – Sophie Lind, sagte er, das ist lange her. Ja, du hast wohl gehört, daß Birgitta und ich einen neuen Versuch machen wollen? Aber diesmal, das kann ich versprechen, wird es uns besser ergehen.
    Es war ein Licht in seinen Augen. Aber Maria machte einen Schritt rückwärts und betrachtete unsicher Sophie, verwirrt darüber, wie angespannt sie bei ihrer Umarmung gewirkt hatte.
    Sophies Lippen und Zunge fühlten sich starr an wie nach einer Zahnarztbetäubung, unwillig, die Worte zu formen. Aber sie mußten gesagt werden. Sie preßte sie hervor, das Herz schwer wie ein Bleilot in der Brust:
    – Ich fürchte, ich habe sehr, sehr schlechte Nachrichten.Das Telefon klingelte erneut, als Martine gerade auf dem Weg zur Place de la Gare war, wo die Polizei jetzt das Haus gefunden hatte, von dem aus die Schüsse abgefeuert worden waren. Zu ihrem Erstaunen war es Jean-Claude Becker.
    – Hallo, Martine, sagte er, was passiert denn in Villette? Ich höre im Radio, daß auf der Place de la Gare eine Frau erschossen worden ist und daß sie Schwedin gewesen sein soll.
    – Sag nicht, daß du dich auch mit ihr verabredet hattest, sagte Martine.
    – Ich weiß nicht, ob sie es war, sagte Jean-Claude, aber ich hatte mich mit einer Schwedin verabredet, der Bürgermeisterin der Stadt, wo Hamra ist, das Stahlunternehmen, du weißt. Sie hat gestern die Gewerkschaftsgeschäftsstelle angerufen und wollte mich heute treffen.
    – Und wo wolltet ihr euch treffen?
    – Nicht in Villette, sagte Jean-Claude, ich rufe von Brüssel aus an. Chantal nimmt an einer Art Musikfestival teil, und ich und die Jungens sind mit ihr hier. Also habe ich dieser Bürgermeisterin vorgeschlagen, daß wir uns lieber in Brüssel treffen, und das war ihr recht. Wir haben beschlossen, daß wir uns um fünf in der Bar ihres Hotels sehen.
    Er nannte ein populäres Touristenhotel in Brüssel ein paar Blocks entfernt von der Grande Place.
    – Sie glaubte, sie würde dann zurück sein, sagte er, und ich versprach zu warten, falls sie sich etwas verspäten würde.
    – Wie hieß sie? fragte Martine.
    – Matsson, glaube ich, sagte Jean-Claude, aber ich bin nicht ganz sicher. Sie sagte, ich würde sie an ihren roten Haaren und ihrer lila Jacke erkennen.
    – Ja, dann war sie es. Und worüber wollte sie reden, hat sie das gesagt?
    – Ja, was glaubst du, sagte Jean-Claude, sie wollte über Stéphane Berger reden. Genau wie dieser französische Journalist, der ermordet wurde.
    Es war im Hörer ein paar Sekunden still.
    – Die Sache wird langsam richtig unangenehm, sagte Jean-Claude mit veränderter Stimme. Zwei Personen, die ermordet wurden, bevor sie mit mir über Bergers Geschäfte reden konnten. Ich hoffe, du bist vorsichtig, Martine!
    Christian de Jonge fuhr nach Brüssel, nachdem er einen Umweg über den Bahnhof und das Blumengeschäft gemacht hatte, wo Claudine zwischen ihren Rosen und Lilien tapfer

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