Die Gruben von Villette: Kriminalroman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
ob sie nach Villette fahren will?Wenn ja, sollte ich vielleicht freinehmen und mitkommen, mit der Sprache helfen und so. Du mußt wohl hier bei Urgroßmutter bleiben?
Sophie nickte dankbar. Sie spürte, daß sie jetzt nicht nach Villette fahren konnte. Da war natürlich Tony, und sie dachte mit einem Zittern der Sehnsucht an seine warmen Hände und seinen harten Körper und den Blick in seinen dunkelblauen Augen, wenn er sie ansah, aber sie wollte ihre Beziehung nicht mit Beerdigungsvorbereitungen und Morduntersuchung belasten.
– Ich glaube, ich muß etwas verraten, was man mir im Vertrauen erzählt hat, sagte Daniel nachdenklich. Birgitta hatte Kontakt mit einem französischen Geschäftsmann, der sich dafür interessiert hat, einen Teil von Hamra zu kaufen, und bei den Kontakten setzte sie mich als Dolmetscher ein. Ich kenne ja auch die Termini und so, weil ich bei der Umweltaufsicht der Stahlunternehmen im Bezirk mitarbeite. Aber sie war ihm gegenüber etwas skeptisch. Ich glaube, sie ist nach Villette gefahren, um herauszufinden, wie er sein Unternehmen betrieb. Und noch etwas, ich habe ihr eine Nummer von Paris Match gegeben, die ich in Stockholm gekauft habe, darin war eine Reportage über diesen Monsieur Berger und seine Kunstsammlung. Und da sah sie, daß er eines von Urgroßmutter Gretas Gemälden hat, ein Porträt von Urgroßvater Aron mit Bischofskreuz und Krummstab. Sie erinnerte sich, daß es früher hier im Pfarrhof hing, und fragte sich, wie es zu Berger gelangt war.
Annick Dardenne hatte bei der Sitzung, die Martine so eilig hatte verlassen müssen, um sich der Schießerei auf der Place de la Gare zu widmen, zwei Aufgaben bekommen. Sie sollte ein Auge auf Nathalie Bonnaire haben und am bestenan Ort und Stelle sein, wenn die Journalistin aufwachte, und sie sollte herausfinden, ob Guy Dolhet Geschäftsfreunde oder Bekannte hatte, von denen man annehmen konnte, daß sie Journalistinnen niederschlugen und tote Katzen vor die Tür von Untersuchungsrichterinnen legten.
Sie begann mit einer Fahrt zu dem Krankenhaus, in dem Nathalie Bonnaire lag, immer noch bewußtlos, aber mit besserer Farbe im Gesicht. Die Prognose war hoffnungsvoll, sagte der Arzt, mit dem sie sprach, und vermutlich würde sie gegen Abend aufwachen. Es war natürlich unmöglich zu sagen, an wie viel sie sich erinnerte; anscheinend war die Gefahr groß, daß sie das meiste von dem, was unmittelbar vor dem Überfall passiert war, vergessen haben könnte.
Auf dem Weg zurück zum Justizpalast machte Annick einen Abstecher zu Nathalie Bonnaires Wohnung. Weil die Journalistin allein in der Liegenschaft wohnte und der Rest des Hofes noch weitgehend einer Baustelle glich, gab es keine Nachbarn, die etwas hätten sehen können, und die gestrige Suche nach Zeugen in den nächstliegenden Vierteln hatte kein Resultat gehabt.
Jetzt war jedenfalls jemand da. Zwei Jungen um die fünf guckten in den Hof. Einer von ihnen schob ein Fahrrad.
– Du darfst da nicht reingehen, sagte einer von ihnen und sah Annick streng an.
– Ach so, warum denn nicht? fragte sie.
– Weil es gefährlich ist, sagte der Junge mit dem Fahrrad. Er hatte dicke, dunkle Locken und trug ein Power-Rangers-Sweatshirt.
– Aber ich bin Polizistin, sagte Annick, also darf ich da rein, obwohl es gefährlich ist.
Sie sahen sie skeptisch an.
– Warum hast du denn keine Polizeimütze? fragte der andere Junge, schmächtig und grellrothaarig.
– Ich bin so eine Polizistin, die keine Polizeimütze hat, sagte sie, um die Verbrecher reinzulegen, versteht ihr.
Sie schienen nicht ganz überzeugt.
– Mädchen können nicht Polizisten sein, sagte der Rothaarige, weil – die können sich nicht prügeln. Polizisten müssen sich die ganze Zeit mit Verbrechern prügeln.
– Ich bin verdammt gut im Prügeln, sagte Annick wahrheitsgemäß und dachte an die Judopokale, die sich auf einem Regal in ihrer Wohnung drängten, ich erledige jeden Verbrecher. Hört mal, Jungens, seid ihr oft hier? Wart ihr zum Beispiel gestern hier?
Sie schielten einander an und sahen schuldbewußt aus.
– Wenn ihr hier wart, könnt ihr mir vielleicht etwas sagen, das mir helfen kann, einen Verbrecher festzunehmen, sagte Annick ermunternd.
– Da war ein Bagger auf dem Hof, sagte der Junge mit dem Fahrrad, wir haben gespielt, er wär ein Zord.
– Aha, wie in Power Rangers, sagte Annick, die Neffen hatte.
Sie nickten feierlich.
– Habt ihr noch etwas gesehen?
– Wir standen hinter dem Tuch da, sagte
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