Die Günstlinge der Unterwelt - 5
Kahlan einen Augenblick lang aus ihren vollkommen weißen Augen an. »Für eine so wichtige Sache werde ich es natürlich versuchen.«
Kahlan nickte. »Danke, Adie.« Sie blickte zu den anderen hinüber. »Was noch? Irgendwelche Ideen?«
Harold stützte einen Ellenbogen auf den Tisch und legte nachdenklich die Stirn in Falten. Er wedelte mit seinem Löffel. »Ich denke, wenn ich ein paar Offiziere als offizielle Delegation in einige der kleineren Länder schicke, könnte man die Leute dort überzeugen, ihre Vertreter nach Ebinissia zu entsenden. Galea steht bei den meisten in hohem Ansehen, und die Leute wissen, daß die Midlands sich für ihre Freiheit eingesetzt haben. Sie werden uns helfen.«
»Und wenn ich vielleicht«, sagte Zedd mit einem verschlagenen Grinsen, »diese Königin Lumholtz aufsuchen würde, als Erster Zauberer wohlgemerkt, könnte ich sie vielleicht davon überzeugen, daß die Midlands noch nicht völlig entmachtet sind.«
Kahlan kannte Cathryn Lumholtz, aber sie wollte nicht die noch ganz frische Hoffnung zunichte machen, die mit Zedds Idee aufkeimte. Schließlich war sie es gewesen, die gesagt hatte, man müsse an die Lösungen denken und nicht an das Problem.
Was ihr nach wie vor eine entsetzliche Angst machte, war die Vorstellung, daß sie diejenige Mutter Konfessor war, die die Midlands verloren hatte.
Nach dem Abendessen zogen Prinz Harold und Hauptmann Ryan los, um sich um die Soldaten zu kümmern. Ahern warf sich seinen langen Mantel über die breiten Schultern und sagte, er müsse nach seinen Leuten sehen.
Nachdem sie gegangen waren, ergriff Zedd Jebras Arm, als diese gerade Kahlan beim Einsammeln der Schalen helfen wollte.
»Willst du mir jetzt vielleicht erzählen, was du siehst, jedesmal, wenn du in meine Richtung schaust?«
Jebra, mit ihren blauen Augen, wich seinem Blick aus, nahm noch einen weiteren Löffel auf und legte ihn zu den anderen, die sie bereits in der Hand hielt. »Es ist nichts.«
»Das würde ich gerne selbst beurteilen, wenn es dir nichts ausmacht.«
Sie zögerte, dann sah sie zu ihm auf. »Flügel.«
Zedd zog eine Augenbraue hoch. »Flügel?«
Sie nickte. »Ich sehe dich mit Flügeln. Siehst du? Es ergibt keinen Sinn. Es handelt sich bestimmt um eine Vision, die keinerlei Bedeutung hat. Ich hab dir doch gesagt, daß ich manchmal solche Visionen habe.«
»Das ist alles? Nur Flügel?«
Jebra zupfte nervös an ihrem kurzen, sandfarbenen Haar. »Nun, du schwebst hoch oben in der Luft, mit diesen Flügeln, und dann wirst du in einem riesigen Feuerball fallen gelassen.« Die feinen Fältchen in ihren Augenwinkeln wurden tiefer. »Ich weiß nicht, was es bedeutet, Zauberer Zorander. Es ist kein Ereignis – du weißt, wie meine Visionen manchmal funktionieren –, sondern ein Gefühl von Ereignissen. Ich weiß nicht, was sie bedeuten, so verwirrt sind sie.«
Zedd ließ ihren Arm los. »Ich danke dir, Jebra. Wenn du noch irgend etwas herausfindest, erzählst du mir doch davon?« Sie nickte. »Und zwar gleich. Wir brauchen jede Hilfe, die wir kriegen können.«
Ihre Augen suchten den Boden, während sie erneut nickte. Sie deutete mit dem Kopf auf Kahlan. »Kreise. Ich sehe die Mutter Konfessor in Kreisen herumlaufen.«
»Kreise?« fragte Kahlan und kam näher. »Wieso laufe ich in Kreisen herum?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Nun, ich habe jetzt schon das Gefühl, im Kreis herumzulaufen, während ich versuche, einen Weg zu finden, die Midlands wieder zusammenzubringen.«
Jebra hob hoffnungsvoll den Kopf. »Das könnte es sein.«
Kahlan lächelte sie an. »Vielleicht. Deine Visionen haben nicht immer mit Katastrophen zu tun.«
Sie wollten gerade mit dem Aufräumen weitermachen, als Jebra noch einmal das Wort ergriff. »Mutter Konfessor, wir dürfen deine Schwester nicht mit Stricken alleine lassen.«
»Was soll das heißen?«
Jebra atmete geräuschvoll aus. »Sie träumt davon, sich zu erhängen.«
»Willst du damit sagen, du hast eine Vision gesehen, wie sie sich erhängt?«
Jebra legte Kahlan besorgt die Hand auf den Arm. »O nein, Mutter Konfessor, das habe ich nicht gesehen. Es ist nur so, daß ich die Aura sehen kann. Ich kann sehen, daß sie davon träumt. Das bedeutet nicht, daß sie es auch wirklich tut. Nur, daß wir sie im Auge behalten müssen, damit sie keine Gelegenheit findet, bevor sie sich erholt hat.«
»Klingt vernünftig«, meinte Zedd.
Jebra band das übriggebliebene Brot in ein Tuch. »Ich werde heute nacht bei ihr
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