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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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haben; er ist begabt, brillant sogar, gut, die Saynfeldts haben es halt im Blut, aber daß er zu einem derartigen Primitivpopulismus greift …«
    Sie hatte Mühe mit seinem sachlich-ironischen Ton.
    »Das ist nicht Populismus, das ist übersteigerte Eitelkeit. Und auch eitle Menschen können gefährlich werden, höchst gefährlich sogar. Da sehen wir's.«
    »Ja, wenn sie gescheit genug sind. Jetzt verstehen Sie vielleicht, Isa, wovon ich redete.«
    »Ja.«
    »Und Sie wissen auch, um was es mir geht.«
    »Deshalb rufe ich an.«
    Eine Pause entstand.
    »Und was soll das heißen?«
    »Sie sprachen doch vom Gleichgewicht der Prinzipien, Herr Professor. Und daß es nicht nur Mühe kostet, es beizubehalten, sondern daß man darum kämpfen muß. Das hab' ich kapiert.«
    »Aber Sie fliegen ja weg …«
    »In sechs Tagen, Herr Professor. Ich wollte nicht nur meine Entrüstung zum Ausdruck bringen mit diesem Anruf, ich wollte Sie auch fragen, ob ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann.«
    »Und ob! Sechs Tage sind viel Zeit. Ich habe noch keinen Gutachter beauftragt, und Sie sind der Mensch, der den Ladowsky-Hintergrund am besten kennt. Das ist es, was ich brauche: Hintergrundmaterial! Was war los, warum kommt es zu diesen sexuellen Verbiegungen … Wie nennt ihr das?«
    »Eine fixierte Deviation.«
    »Was für ein schöner Begriff … Meine Klippschulkenntnisse der Psychologie reichen so weit, daß mir als Grund nur die Mutter einfällt …«
    »Vielleicht haben Sie damit gar nicht so unrecht … Hören Sie, ich habe meine Arbeit hier ziemlich reduziert. Frau Ladowsky wohnt in Walldorf. Ich fahr' zu ihr hin. Leider besitze ich nur ein paar Briefe von ihr, aber jetzt – jetzt werde ich mit ihr reden …«

Der Brief lag bei Isabellas Unterlagen zu ihrem Ladowsky-Artikel, der Umschlag mit dem Absender jedoch steckte jetzt in ihrer Handtasche: Hilde Ladowsky, Hermann-Kurth-Straße 46 … Auf den Brief konnte sie verzichten. Er enthielt nichts als eine Sammlung bissiger Anklagen gegen eine ungerechte Welt und schwülstig-bigotter Beschwörungen von Ludwig Ladowskys Unschuld.
    Es war kurz vor achtzehn Uhr, als sie das Frankfurter Kreuz erreichte. Die Sicht war schlecht, die Auspuffgase mischten sich mit Nebel, und beides trieb über die Autobahn. Sie nahm die rechte Spur, verringerte das Tempo und konzentrierte sich auf das, was vor ihr lag. Soviel stand fest, diese Erkenntnis sprang sie aus jeder Zeile von Hilde Ladowskys Briefen an: Die Frau war nicht normal. Was ihr geliebter Sohn damals, mit siebzehn, schon angerichtet hatte, wurde von ihr nicht zur Kenntnis genommen. Statt dessen witterte sie eine Verschwörung von Unrecht und Verfolgung …
    Bremslichter leuchteten auf. Der Verkehr war vollkommen ins Stocken geraten. Sie betätigte den Fensterheber, um nicht in diesem Gestank ersticken zu müssen, lehnte den Kopf zurück und schloß die Augen: Wieso bist du nicht erst morgen gefahren? Wieso fährst du?
    Kann mir jemand sagen, warum ich hier im Stau stehe?
    Wieder sah sie Richards Gesicht, hörte seine Stimme … War er es, der sie provoziert hatte? Nein, es war etwas anderes. Er hatte sie überzeugt. Sein Auftritt war notwendig gewesen, damit sie zu dem Punkt gelangte, an dem sie jetzt stand.
    Die Wagen zogen wieder an, und nach einer halben Stunde erreichte sie Walldorf. Dort brannten die Lichter, die Geschäfte hatten ihre Reklamebeleuchtungen eingeschaltet, aber sie kannte den Ort nicht und verspürte auch keine Lust, ihn je kennenzulernen. An einer Kreuzung ließ sie sich von einem Polizisten erklären, wie sie zur Hermann-Kurth-Straße finden konnte. Der Mann gab sich alle Mühe, doch der Dunst war inzwischen dichter geworden, eine Art Nebel senkte sich über die Straßen, und so mußte sie noch zweimal fragen, bis sie am Rande Walldorfs, am Ende einer von kleinen Häusern umsäumten Straße endlich am Ziel war.
    Sie parkte, blieb aber sitzen und blickte zu dem Haus hinüber. Es lag nah an der Straße, der Garten schien ziemlich groß. Eine Straßenlampe warf ihren trüben Schein über den Eingang und ließ undeutliche Umrisse erkennen. Im Erdgeschoß brannte ein einziges Licht, direkt darüber begann das Dach. Im Giebel schien sich ein zweites Fenster zu befinden.
    Sie stieg aus.
    In der Gegend war es merkwürdig still. Das nächste Haus lag etwa zwanzig Meter entfernt. Die Nummer 46 war das letzte Gebäude der Straße, daneben lag ein Baugrundstück, dann begann das Ende der Welt.
    Sie suchte am Beton des

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