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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Torpfostens nach einer Klingel oder einer Beleuchtungstaste, fand aber nichts. Zögernd schob sie die Gartentüre auf und ging sehr vorsichtig weiter. Sie konnte in der Dunkelheit den Bodenbelag nicht erkennen, und als sie dann an der Hausecke angelangt war, begann tintige Schwärze.
    Sie zog ihr Feuerzeug heraus. Im Licht der kleinen Flamme erkannte sie einen Holzschuppen. Links war die Haustür. Diesmal hielt sie sich nicht damit auf, nach der Klingel zu suchen. Sie klopfte.
    Irgendwo, ganz ferne, kreischten Autoreifen. Sonst blieb alles still.
    Sie versuchte es wieder, klopfte energischer, dazu rief sie: »Frau Ladowsky!«
    Es rührte sich nichts – doch, an ihren Beinen … Obwohl es weich und warm war, was da vorbeistrich, fuhr Isabella zusammen und fühlte Erleichterung, ja Erlösung, als sie das leise Miauen vernahm.
    »Na«, sagte sie und streichelte den Schatten dort unten, »da stehen wir also zu zweit vor der Tür. Und keiner läßt uns rein.«
    Doch ihr erneutes Klopfen hatte Erfolg.
    »Ja? – Wer ist da?«
    »Frau Ladowsky, mein Name ist Reinhard. Entschuldigen Sie bitte, falls ich stören sollte … Dr. Isabella Reinhard …«
    »Sind Sie von der Zeitung?«
    »Ich? Um Himmels willen, nein. Wir hatten einmal einen Briefwechsel miteinander – erinnern Sie sich?«
    »Briefwechsel?«
    »Ja. Ich wandte mich an Sie, und darauf haben Sie mir zwei Briefe geschrieben. Das war vor drei Jahren.«
    »Ah, so …« Die Stimme wurde leiser, flüsterte etwas, doch ein Schlüssel drehte sich im Schloß, ein Riegel wurde zurückgeschoben, die Tür öffnete sich – und da stand sie.
    Hilde Ladowsky war eine große, nein, mächtige Frau. Das grelle Licht der von der Decke in die Diele herabbaumelnden, notdürftig mit einem zerrissenen Schirm dekorierten Glühlampe leuchtete Gestalt und Gesicht erbarmungslos aus. Schon der Aufzug erschien grotesk: Sie trug blaue Jogginghosen, die sich um den vorgewölbten Bauch spannten, dazu um den mächtigen Busen ein viel zu enges Männer-Sweatshirt mit dem Aufdruck irgendeiner amerikanischen Universität. Die Füße steckten trotz der Jahreszeit in Pelzstiefeln … Sie ist krank, war der erste Eindruck, den Isabella gewann, als sie in das verquollene, teigig-rote Gesicht mit den schießschartenartig zusammengezogenen Lidern blickte. Sie ist schwer psychotisch … Diesen unnatürlich funkelnden Blick kannte sie.
    Schlimmer noch aber war ihre Haut: Gesicht, Hals und die nackten Unterarme waren mit Schorf und roten, kleinen Punkten übersät – Katzenflöhe oder Dermatitis, sie wußte es nicht.
    Ein lastender, unangenehmer Geruch schien aus den Wänden oder der geöffneten Tür zum Nebenraum zu strömen und das ganze Haus auszufüllen.
    Sie sah Isa unverwandt an.
    Isa lächelte.
    »Sie sind das also?« sagte Hilde Ladowsky. »So sehen Sie aus …« Dabei bückte sie sich zu der Katze, die jetzt schnurrend um ihre Beine strich.
    »Mein armes Nerolein, mein armes Nerolein …«
    Ächzend richtete sie sich wieder auf. »Die Katze ist das einzige, das mir jetzt übriggeblieben ist. Mein Jungchen haben sie mir ja genommen. Sie wissen doch …«
    »Ja, Frau Ladowsky. Deshalb bin ich hier.«
    »Hab' ich mir gedacht. Aber ich red' nicht darüber. Mit niemand. Nicht mal mit Ihnen … Außerdem, der Ludwig ist schon vorher ab.«
    »Warum?«
    »Warum? – Ich hab' ihn rausgeschmissen.«
    Sie atmete mühsam, der Boden unter ihr knackte. Während sie sich am Unterarm kratzte, sah sie Isabella unverwandt an, mit demselben glitzernden, spähenden Blick. Isabella wartete. Doch die Frau blieb stumm.
    »Frau Ladowsky«, begann sie vorsichtig, »Sie kennen die Situation. Es wird zu einem Prozeß kommen. Dazu braucht es einen Verteidiger …«
    »Damit will ich nichts zu tun haben. Und wieso auch? Ist das Ihr Job?«
    »Frau Ladowsky, Ihr Sohn hat bereits einen Verteidiger. Was er braucht, sind gewisse Einblicke in seine Jugend und seine Entwicklung.«
    »Einblicke? Was für Einblicke?« Ihre Schultern spannten sich, das schwammige Fleisch ihres Gesichts schien sich zu verfestigen. »Mein Junge, der Ludwig, war immer der Beste, und er war immer brav, hat sich immer angestrengt, und weil er so intelligent ist, hat er sogar das Abitur gemacht.«
    Es stimmte, Ludwig Ladowsky hatte tatsächlich, dazu noch hoch benotet, das Abitur in der Strafanstalt nachgeholt. Aber Herrgott, sie konnten das doch nicht hier, in diesem deprimierenden Flur diskutieren … Du mußt sie dazu bewegen, daß …
    Weiter kam sie mit

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