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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Aufführung und auch daraus, daß er im Hemd war und in der Hand einen Schläger hielt, welcher ihm doch als Schiedsrichter von keinem Nutzen sein konnte.
    »Jene dort«, sprach ich, »sind sicherlich die Edelleute, welche Monsieur de Nançay zu einer Viererpartie erwarten. Wie ist der größte von den dreien geheißen? Er spielt ganz vortrefflich.«
    »Was!« rief Meister Delay schier entrüstet, »Ihr kennt ihn nicht? Ihr wollt Euch lustig machen! Alle Welt kennt doch den Herzog von Guise!«
    »Ich nicht«, erwiderte ich, »denn ich halte mich erst seit drei Tagen zu Paris auf. Doch habe ich schon viel über ihn gehört: von meinem Vater, dem Baron zu Mespech, der unter Franz von Guise bei Calais kämpfte.«
    »Das werde ich Heinrich von Guise berichten«, sprach Delayleutselig. »Es wird ihn Euch geneigt machen, denn er hält das Andenken an seinen hingemordeten Vater hoch in Ehren.«
    »Und wer ist«, so fragte ich weiter, »jener Edelmann, der ihm den Ball zurückschlägt?«
    »Es ist – und dies entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie – der Tochtermann Colignys, welcher den Vater des Herzogs umbringen ließ.«
    »Aber«, entgegnete ich nicht ohne einige Vorsicht und Mißtrauen, »ist denn erwiesen, daß Coligny es war, der Franz von Guise ermorden ließ? Der König hat ihn doch von diesem schändlichen Verdacht reingewaschen.«
    »Nun«, sprach Delay, »der König spielt seine Rolle, und die besteht darin, die Welt zu täuschen.«
    Er sprach dies mit gesenkter Stimme und höchst geheimnisvoller Miene, denn auch er war befallen von der Sucht, welche am Hofe umging, nämlich sich stets den Anschein zu geben, alles über alles zu wissen. Abgesehen von dieser pariserischen Schwäche gefiel mir der Ballmeister indes recht wohl ob seiner Leutseligkeit und der Rundheit, welche seine Leibesgestalt kennzeichnete, den Schmerbauch ebenso wie das Hinterteil, das Angesicht wie die hervorstehenden schlauen und zugleich treuherzigen Augen.
    »Der Herzog von Guise ist von großer Schönheit«, sprach ich, indes ich ihn beim Spiele betrachtete.
    »Welche Schönheit ihn fast das Leben gekostet hätte«, setzte Delay mit einem vielsagenden Lächeln leise hinzu. »Der König hätte ihn um ein Haar umbringen lassen, als er seinen heimlichen Liebeshandel mit der Prinzessin Margot entdeckte.«
    Obgleich all das uns auch in dem fernen Mespech bekannt geworden war dank den Briefen von d’Argence, ließ ich den Ballmeister schwatzen, wie es ihn gelüstete, war es doch immerhin möglich, daß aus dem leeren Stroh, welches er drosch, noch einige gute Körner fielen.
    Indessen betrachtete ich den Herzog, welcher mir gar kräftig, behende und gewandt schien; sein Angesicht mit den samtenen Mandelaugen, den feingeschnittenen Zügen und dem zierlichen Bärtchen über den wohlgeformten Lippen war als Lockspiegel wohlgeeignet, die Hoflerchen anzulocken und ihnen den Kopf zu verdrehen.
    Seine Geistesgaben jedoch schienen seiner Schönheit um einiges nachzustehen und waren nach dem, was ich von den Herren Brüdern gehört, recht mager. So hatte sich der Guise in den Bürgerkriegen auf seiten der Papisten keinen großen Ruhm erworben, da er von seinem Vater weder die Gabe der Kriegskunst noch politischen Scharfsinn geerbt. Und es war erstaunlich, wie blind der herrschende Parteigeist diesen Mangel an Tüchtigkeit übersah. Es gab in der ganzen katholischen Kirche keine Kanzel, Schule, Sakristei noch Predigerseminar oder gar Beichtstuhl, wo nicht tagtäglich götzendienerisches Lobpreis für den Herzog erklang, welcher als der einzige standhafte Verteidiger des vatikanischen Glaubens angesehen ward, da wenig Verlaß sein konnte auf Karl IX., seitdem er Coligny sein Ohr geöffnet. Der Herzog hatte zu verstehen gegeben, daß er, von Karl dem Großen herstammend, mehr Anspruch auf Frankreichs Thron habe denn Karl IX.; Pfaffen und Mönche flüsterten es heimlich weiter, so daß am Ende dieser große und prächtige Herzog auf seinem stolzen schwarzen Rosse sich in den Straßen der Hauptstadt nicht zeigen konnte, ohne daß das törichte Volk von allen Seiten herbeilief, ihm die Hände, die Füße, ja sogar die Hufe seines Pferdes zu küssen. Welch seltsames Volk, diese Pariser! Betört von ihren Pfaffen, machten sie einen anderen zu ihrem König als den gekrönten Herrscher Frankreichs.
    »Ihr werdet bemerken«, sprach der Ballmeister Delay zu mir, »daß Monsieur de Téligny nicht sonderlich gut mit verkehrter Hand zu schlagen vermag und daß auch

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