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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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erzürnt«, antwortete Delay, welcher nach einem kleinen Zögern meinen Arm ergriff, seinen Mund meinem Ohr näherte und hinzufügte: »Der Drehkreisel, den das Kind von links nach rechts tanzen läßt, kann sich, von einer anderen Hand gelenkt, ebensogut in die entgegengesetzte Richtung drehen. Monsieur de Siorac, brecht Ihr heute in Eure heimatliche Provinz auf?«
    »Leider kann ich das nicht. Ambroise Paré hat mich zu seinem Gehilfen bei der Behandlung des Patienten bestellt.«
    »Wie mißlich!« erwiderte Delay, mir einen kurzen bedeutungsvollen Blick zuwerfend. »Nach dem Vorspiel zu urteilen, erwarte ich nichts Gutes von dem Kommenden.«
    Worauf er sich, da er genug gesagt oder vielleicht mehr, als er gewollt oder für klug erachtete, von mir beurlaubte, nicht ohne daß ich ihm noch einmal herzlich dankte für sein Bemühen um meine Begnadigung. Welchen Dank er mit unversehens kühler Miene anhörte, als wolle er mir zu verstehen geben, daß er nun, da die Dinge den vorausgesagten Verlauf nahmen, seine guten Dienste für beendet sehe.
    Ich verfügte mich mit Miroul in die Speisewirtschaft Guillaume Gautiers in der Rue de la Truanderie, wo wir Giacomi fanden, welcher schon seit einer guten Stunde auf uns wartete, ohne einen Bissen gegessen zu haben, so sehr war er in Sorge um uns. Als er mich erblickte, rötete sich sein Gesicht vor Freude, und er umarmte mich gar stürmisch und stellte hundert Fragen, darauf ich ihm mit leiser Stimme berichtete, was der Leser schon weiß, und auch mein Gespräch mit Miroul und jenes mit Meister Delay gebührend erwähnte.
    Giacomi stimmte mir zu, daß es die Ehre verbiete, den Patienten, welchen man mir anvertraut, im Stich zu lassen, daß dies indes ein höchst bedauerlicher Umstand sei, denn mit jeder Stunde erhöhten sich die Gefahren für die Meinen, habe er doch auf seinem Weg durch die Straßen gesehen, daß die Stadt brodelte und das Volk sich zusammenrottete, daß man die Hugenotten – oder die man dafür hielt – mehr noch als sonst schmähe, daß er selbst ob seiner schwarzen Kleidung von einem Dutzend Lumpenkerlen angehalten worden sei, die ihn kurzerhand niedermachen wollten, und er nur durch seine italienische Sprechweise davongekommen sei, denn es war den Parisern wohlbekannt, daß Italien die reformierte Ketzerei im Keime erstickt hatte. Kurzum: es gebe überall nur finstere Blicke, heimliches Geflüster, geschäftiges Hin und Her, bewaffnete Bürger, drohende Mienen und blutdürstige Drohungen, welche auf den Ausbruch einer blutigen Jagd hindeuteten, bei der wir die Gejagten wären. Recroche habe, wie er von Alizon gehört, unser Hugenottentum den Nachbarn offenbart, und es sei deshalb wohl besser, so die Gefahr weiter anwüchse, unsin der Wirtschaft von Guillaume Gautier zu treffen als im Haus des Mützenmachermeisters. Solche Vorsicht fand ich auch angeraten.
    Nach dem Mahle, welches wir trotz seiner Schmackhaftigkeit recht niedergedrückt und mit wenig Hunger verspeisten, bestand Giacomi darauf, mich zu meinem Schutze bis zur Behausung des Admirals in der Rue de Béthisy zu begleiten. Die Unruhe und Aufregung der Pariser war weiter angewachsen. Ihr Gewimmel ließ an einen Ameisenhaufen denken, in den der Stiefel eines unachtsamen Jägers hineingefahren war.
    Mein Patient ruhte hinter seinem Bettvorhang, und Cornaton bedeutete mir, daß er am Einschlafen sei, so stieg ich wieder in den unteren Saal hinab, wo ein solches Gedränge von aufgebrachten hugenottischen Edelleuten herrschte, deren Kummer und Zorn sich noch nicht besänftigt hatte, daß ich auf den kleinen Platz vor dem Haus hinaustrat, um frische Luft zu atmen. Beunruhigt durch das Unwetter, welches sich über unseren Häuptern zusammenbraute, ging ich gedankenverloren auf und ab, die Rückkehr von Ambroise Paré ersehnend, welcher versprochen hatte, am Nachmittag zu kommen und mich meines Amtes zu entlasten; doch als ich meine Uhr zog, welche ich in einem Beutel unter der linken Schulter meines Wamses trug, sah ich, daß es erst auf die zweite Stunde ging. Da hörte ich mit einem Male großen Lärm; mich umwendend, sah ich mit höchster Verwunderung die Leibwache des Königs in ihren silberbestickten weißen Waffenröcken in die Rue de Béthisy einbiegen. Davor schritten in enger Reihe die Trompeter, aus Leibeskräften blasend, den König anzukündigen, so daß die Fensterläden trotz der Sommerhitze überall aufflogen und die Bürger und Mitwohner ihre Köpfe heraussteckten, ohne daß jemand sich

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