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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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den Fuß in den Hof gesetzt, fanden sie sich unversehens von Wachen umstellt, wurden entwaffnet, aus den Toren getrieben und niedergemetzelt. Als die Reihe an Monsieur de Piles war und er den Berg von Leichen sah, deren Zahl er gleich vermehren würde, rief er:
    »Hält so der König Wort? Ist das seine Gastfreundschaft? Gerechter Gott, mögest du eines Tages diese gemeine Verräterei rächen!«
    Und seinen kostbaren Umhang von den Schultern nehmend, hielt er ihn einem papistischen Edelmann mit den Worten hin:
    »Nehmt diesen Umhang, mein Freund, und bewahret ihn auf zum Angedenken an den unwürdigen Tod, den ich hier sterben muß.«
    Doch was immer der papistische Edelmann von dem Blutbad halten mochte – er verweigerte die Gabe, welche Piles zu einem Sinnbild machen wollte, das auf immer an den Wortbruch des Königs erinnern würde.
    Als nun all diese wackeren Edelleute solcherart umgebracht waren, zogen die Soldaten ihnen die Kleider aus – wie auf Golgatha mit dem Gekreuzigten geschehen –, um welche sie mit lautem Geschrei alsbald zu raufen begannen. Dann machten sie sich atemlos zu weiterem Morden und Plündern auf und ließen die armen Erschlagenen nackt und bloß auf dem Pflaster zurück, um am Morgen zurückzukehren, sie in den Seine-Fluß zu werfen, welcher in diesen unheilvollen Stunden zum nassen Grab der gemetzelten Hugenotten ward.
    Kaum waren die Soldaten verschwunden, erschienen lachend und schwatzend die Königinmutter und ihre Ehrendamen, sich beim Scheine der von Dienern getragenen Fackeln am Anblick der Erschlagenen zu weiden; Jesabel ließ sich unter all den Leichen den toten Soubise zeigen, welchen sie mit ihren Damen aus nächster Nähe neugierig begafften, weil seine Ehefrau ihn als zeugungsuntüchtig hingestellt. Oh, Leser! ist das eine französische Königin oder nicht vielmehr eine gekrönte Ausgeburt der Hölle? Agrippa d’Aubigné irrte nicht, als er von Katharina sagte:
Sie ist die Seele des Staates und hat doch selbst keine Seele.
Ja, weder Seele noch Herz oder Gefühl, und so empfand diese Schlange bis zum Ende ihrer verhaßten Tage nicht die leiseste Reue darob, daß sie ihren schwachen Sohn mit List und Tücke zu der blutigen Hatz auf seine Untertanen bewogen.
    Doch ich eile den Ereignissen voraus. Kaum hatte ich die Ankleidekammer Navarras mit Herrn von Nançay verlassen, sprach dieser mit strenger, vorwurfsvoller Miene leise zu mir:
    »Potz Blitz! Was treibt Ihr hier noch? Der König hat Euch gestern seine Gnade gewährt. Warum seid Ihr nicht längst schon abgereist?«
    Auf diese Frage, welche mich höchstlich beunruhigte, weil Monsieur de Rambouillet mir dieselbe bereits am Tor des Louvre gestellt, antwortete ich mit dem Bericht meiner vergeblichen Versuche, Reittiere zu beschaffen, welchen Bericht der Hauptmann verdrossen anhörte.
    »Alljetzt ist es ohnehin zu spät«, sagte er leise. »Die Stadttore sind geschlossen, die Sperrketten vor die Brücken gelegt, welche überdies von den Bürgerwehren bewacht werden.«
    Seine Worte ließen mich erschauern, denn sie verhießen noch Schlimmeres, als sie besagten, um so mehr, da ich, die große Treppe zum Schloßhof hinabsteigend, vor mir die schweizerischen, schottischen und französischen Wachabteilungen erblickte, welche in der kurzen Zeit, die ich in der Ankleidekammer verweilt, in voller Kampfrüstung, die Hellebarde in der Faust, Aufstellung genommen hatten.
    Als ich mich dem Schloßtor näherte, sah und hörte ich zu meinem großen Erstaunen den König von Navarra, den ich in seinen Gemächern wähnte, mit dem Hauptmann der Torwache disputieren, also mit Monsieur de Rambouillet.
    »Ei, Sire«, sprach dieser, »Ihr wollet noch hinaus, indes ich mich gerade anschicke zu schließen.«
    »Gewöhnlich werden doch die Tore erst in der zehnten Stunde geschlossen«, erwiderte Navarra.
    »Ich habe Befehl vom König, es heute schon in der achten Stunde zu tun.«
    »Nun, Monsieur de Rambouillet«, sprach da Navarra mit jener fröhlichen Bonhomie, welche ihn bei jedermann beliebt machte, »wollet mich jetzt trotzdem hinauslassen. Ich gebe Euch mein Wort, daß ich ungesäumt zurückkehre.«
    »Oh, Sire«, antwortete Rambouillet, »Euer Hoheit ist zu gütig: Ihr bittet, wo Ihr doch befehlen könntet.«
    »Befehlen?« entgegnete Navarra launig, »ich befehle hier niemandem, nicht einmal meinem Weibe, der Margot.«
    Worauf er aus vollem Halse lachte, Rambouillet leicht auf den Schmerbauch klopfte und durch das Tor schritt, gefolgt von einem

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