Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
ist voller Unheil!«
    Und indes er seine Laterne dem Haus näherte, an dessen Mauer wir gelehnt saßen, erblickten wir an der Tür ein Stück schwarzes Tuch sowie einen kleinen Korb befestigt, was anzeigt, daß hier ein Pestkranker mit seiner Familie wohnte, welcher das Haus nicht verlassen durfte und von hilfreichen Nachbarn mittels des vorgemeldten Korbes mit Speis und Trank versorgt wurde. Sogleich ergriff ein unbeschreiblicher Schrecken meine Gefährten, und sie sprangen hoch, als verspürten sie die Feuer der Hölle unter ihren Hintern brennen.
    Ich indes erhob mich ohne jede Hast und Eile und sprach mit ruhiger Stimme:
    »Fürchtet nichts, meine Freunde! Die Pest wird übertragen durch Berührung des Kranken oder seiner Wäsche, nicht aber durch Verseuchung der Luft, wie einige behaupten.«
    Bei diesen Worten, welche sehr nach Arzt klangen, hob der Hinkefuß mit einer lebhaften Geste seine Laterne, mir das Gesicht zu beleuchten, wobei der Schein auch auf das seinige fiel, welches ich sogleich erkannte, ohne jedoch ein Wort zu sagen, denn der Mann bedeutete mir mit einem Augenzwinkern, daß ich schweigen möge.
    »Auf jeden Fall«, erwiderte er, »ist es ein schlechter Ruheplatz für ehrliche Leute, welche mir sehr ermüdet aussehen.«
    »Ach, mein Herr«, ließ sich da Fröhlich vernehmen, »mich plagt und zwickt mehr der Hunger denn die Müdigkeit.«
    Worauf der Mann mit seiner Laterne unseren wackeren Schweizer beleuchtete und lächelnd sprach (bei welchem Lächeln die Naht- und Wundmale in seinem Gesicht sich in Falten legten):
    »Meine lieben Freunde, so Ihr an der gleichen Qual leidet wie dieser hier, der mir ob seines ehrlichen Gesichtes wohl gefällt und weil er meinem vormaligen Stande nicht fremd zusein scheint, lade ich Euch zu einer kleinen Stärkung in mein Haus, obgleich ich nicht viel zu bieten vermag, denn mein Weib ist nicht da, und ich tauge nur wenig zu den Hantierungen in der Küche.«
    Wie man sich denken kann, folgten wir ihm hurtigen Schrittes, derweil uns schon das Wasser im Munde zusammenlief, und zögerten in seinem Hause (welches nahe gelegen und recht bescheiden, doch nicht armselig war) nicht lange, uns an seinem Tisch an einem Stück Brot, einigen Scheiben Schinken und einem Krug weißen Weines gütlich zu tun, wobei wir uns mühten, nicht zu schnell zu schlingen, um das Vergnügen zu verlängern und den Nutzen der genossenen Speise zu erhöhen. Währenddessen betrachtete uns der Mann mit wohlwollenden Augen, nachdem er seine Hellebarde an die Wand gelehnt und den Hut abgenommen, welcher mehr Federn trug als sein Kopf Haare, denn sein Schädel war kahl wie eine Eierschale und von einer langen Narbe überzogen.
    »Meine Freunde«, sprach er, »der König hat heute morgen unter Trompetenschall verkünden lassen, daß es den Bürgern und Mitwohnern seiner lieben Stadt Paris bei Strafe ihres Lebens verboten sei, flüchtenden Ketzern Versteck, Nahrung oder sonstige Hilfe zu bieten. Aus diesem Grunde«, fuhr er nicht ohne leisen Spott in seiner Stimme fort, »bin ich sehr froh, an Euern weißen Armbinden zu ersehen, daß Ihr zur Partei der guten Christen gehört, dazu auch ich zähle, denn sonst wäre es mir unmöglich gewesen, Euch eine solche Zehrung zu bieten, ich möchte meinen Hals nicht für ein so gefahrvolles Unterfangen wagen. Als gewesener Kriegsmann der königlichen Gardesoldaten (bei welchem Wort Fröhlich seine großen Ohren spitzte) gelüstet es mich wenig, eine weiße Armbinde anzulegen – womit ich Euch nicht kränken will –, weil ich es wenig ruhmvoll finde, wehrlose Leute in ihrem Bett zu überfallen. Zudem hänge ich meinem Glauben ohne übermäßigen Eifer an und begehre auch nicht anderer Leute Hab und Gut, denn ich bin zufrieden mit dem Wenigen, das ich besitze.«
    »Mein Herr«, erwiderte ich (ohne den Titel »Markierer« zu benützen, da er sichtlich gewillt war, mich nicht zu kennen – ohne Zweifel wollte er seine Unschuld beteuern, so er angeklagt würde, dem königlichen Verbot zuwidergehandelt zu haben), »Ihr seid ein ehrenwerter Mann, und ich bewundere Euchob Eurer Hochherzigkeit, welche mir in diesen kriegerischen Zeiten recht selten zu sein scheint. Auch ich und meine Begleiter tragen die weiße Binde nicht mit leichtem Herzen.«
    »Das schien auch mir so«, erwiderte der Anschreiber lächelnd, mich Aug in Auge anblickend. »Wenn ich recht gehört habe«, fuhr er in seiner doppelsinnigen Art fort, »erwähntet Ihr vorhin, daß Ihr Euch auf dem Wege in

Weitere Kostenlose Bücher