Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
tiefstem Dank verpflichtet …«
»Bah!« unterbrach ich ihn, »laß es gut sein. Es ist nicht der Rede wert. Es hätte mir nur nicht gefallen, wenn man dich an dem Tage meiner Erhebung zum Doktor wegen des Diebstahls einer Wurst in den Kerker gesperrt hätte.«
»Zumal ich, Herr Medicus«, Giacomi schielte verlangend und mitleiderregend nach der Wurst, welche ich in meiner Rechten hielt, »noch gar nichts gegessen habe.«
Worüber ich gar herzlich lachen mußte.
»Wohlan, Geselle, so iß«, sprach ich, ihm Wurst und Becher reichend, »iß und trink, auf einige Sols mehr oder weniger kommt es heute nicht an, wo ich meinen Beutel ohnehin leeren mußte!« Und schob ihn in das Kabinett, welches Madame de Joyeuse und Aglaé vor einer kleinen Weile verlassen, ließ ihm von der Wirtin reichlich auftragen und bedeutete ihm, er möge wacker zugreifen und ich hätte ihn zu sprechen, sobald meine Gäste die Herberge verlassen.
Kaum war ich jedoch wieder im Gastraum, als eine der liebreizenden Hausmägde, welche während meiner
triduanes
so oft betätschelt worden, mit geheimnisvoller Miene an mich herantrat und mir unter allerlei Ziererei bedeutete, daß eine Dame von Stand, jedoch verlarvt und verschleiert, am Eingang der Herberge auf mich warte und mich zu sprechen wünsche.
Ich begab mich ungesäumt an besagte Stelle und sah mich einem Frauenzimmer von hohem Wuchs gegenüber, welche aufs schönste geputzt und gekleidet war, das Gesicht hinter einer Maske verborgen, auf dem Kopf ein schwarzes Spitzentuch, welches sie bei meinem Herannahen abnahm, so daß ihr strohblondes Haar sichtbar wurde, das ich augenblicks als das der Dame Gertrude du Luc erkannte.
»Oh, Madame!« sprach ich, »Ihr hier, so weit entfernt von Eurer Normandie? Wie glücklich wird mein Samson sein, Euch zu sehen!«
»Und Ihr, mein Herr Bruder«, sprach Dame Gertrude in ihrem Französisch der Normandie, »freut Ihr Euch nicht auch darüber?«
»Doch, doch Madame«, erwiderte ich mit einigem Unwillen ob ihrer Schöntuerei und mich ihres Liebeshandels mit Cossolat erinnernd, fügte ich hinzu, nicht ohne sie für eineWeile mit kühler Miene anzublicken: »Wenn Ihr ihm wenigstens hier so treu wäret wie er Euch.«
»Ha, Monsieur! Zweifelt Ihr daran?« fragte die Heuchlerin in dem sicheren Gefühl, wie ich vermeine, daß die Maske ihre Schamröte verbergen würde, falls ihr selbige ins Gesicht stiege. »Und seid Ihr gar nicht erstaunt, mein Herr Bruder, mich hier zu sehen?«
»Doch!«
»Ich bin«, so sprach sie und legte ihre Hand, an der sie einen großen Ring über dem Handschuh trug, auf meinen Arm, »im Begriff, eine zweite Pilgerfahrt nach Rom zu unternehmen, da die erste mir soviel geistliche Erbauung gebracht.«
»Oh, Madame«, sprach ich mit zuckersüßer Mine, »solches Tun ist in der Tat erbaulich, sofern Ihr nicht den Ablaß, welchen Ihr zu Rom erlangen werdet, unterwegs wieder verwirket.«
»Ha! elender Hugenott!« sprach sie mit gespielter Entrüstung. »Ihr spottet meiner! Warum seid Ihr so hartherzig gegen die Schwächen einer armen Papistin?«
Damit legte sie mir die Arme um den Hals und umarmte mich gar herzlich, ihren schönen Leib voller Liebreiz und Weiche in seiner ganzen Länge an den meinen schmiegend, so daß es mir fast den Atem verschlug und ich kein Wort zu sagen wußte, was freilich auch nicht notwendig gewesen wäre, hätte ich den Weg weitergehen wollen, auf den diese Circe mich mit aller Macht zog. Und wahrlich, wie hätte ich hartherzig gegen ihre Schwächen sein können, wo sie mir doch die meinen so fühlbar machte? Welch gute Lehre, die mich daran erinnerte, daß man den Stab nicht vorschnell über seinen Nächsten brechen soll!
Nicht willens, ihr weiter nachzugeben, denn mein vielgeliebter Samson ging mir nicht aus dem Sinn, faßte ich Dame Gertrude an beiden Schultern und schob sie mit aller Kraft von mir, indem ich ihr ins Ohr sprach:
»Madame, dies eine Mal noch will ich Euch zu Diensten sein, doch Hände weg von Cossolat, sonst gerate ich in Zorn.«
Worauf sie, schwer atmend hinter ihrer Maske, stumm blieb wie der Fisch im Teich und es mit dieser Probe ihrer verführerischen Künste bewenden ließ, falls der Schein nicht trog; denn mußte ich, nach ihrer bebenden Brust zu urteilen, nicht annehmen,daß diese normannische Hydra unersättlich genug war, Samson und Cossolat und mich und wer weiß wen noch zu verschlingen?
»Mein Herr Bruder«, sprach sie mit schwindender Stimme, als verginge ihr der Atem,
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