Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
gar sehr geliebt haben müsse, da er ihr holdes Bildnis, indem er sie in Stein wieder zur Jungfrau machte, für die kommenden Jahrhunderte und Zeitalter bewahren wollte.
Miroul bewachte draußen die Pferde, und ich bedauerte ein wenig, daß er nicht bei mir war und insonderheit auch Maestro Giacomi nicht, welcher die schönen Künste überaus liebte und so trefflich darüber zu sprechen wußte. Doch kaum hatte ich mich ein wenig umgesehen, als ein dunkellockiger kleiner Schwarzrock, welcher wohl noch nicht das siebzehnte Jahr seines Alters überschritten, auf mich zukam und, mich aus dunklen Samtaugen anblickend, mit heller Stimme zu mir sprach:
»Monsieur, gelüstet es Euch, auf die Türme von Notre-Dame zu steigen? Von dort kann man ganz Paris überblicken, denn die Kathedrale ist der Stadt höchstes Bauwerk.«
»Herr Abbé«, erwiderte ich mit zwar freundlicher Stimme, doch innerlich voller Argwohn, denn ich habe wenig Zutrauen zu solchen Schwarzkitteln, »ich wäre nicht abgeneigt, sofern man nichts zahlen muß.«
»Es kostet Euch nur wenig«, antwortete der Abbé mit einem liebenswürdigen Lächeln, »fünf Sols für das heilige Domkapitel, drei für den Kirchendiener, welcher den Schlüssel verwahrt, und zwei für mich, der ich Euch begleite.«
Er sprach diese Worte mit eindringlicher, flüsternder Stimmeund einem schmachtenden, zärtlichen Lächeln auf dem Gesicht, fast auf Tuchfühlung neben mir stehend und mich schier mit den Augen liebkosend, daß ich mich fragte, ob ich ein Mannsbild oder ein Weib vor mir hätte. Zeus selbst, wenn mir der Gedanke an ihn in einer christlichen Kirche verstattet sei, hätte sich täuschen können, obgleich ein solcher Irrtum ihn wohl wenig gestört hätte – man denke an die Entführung des Ganymed.
»Herr Abbé, ich bin einverstanden«, sprach ich mit kühlem Blick, ein wenig zurückweichend und ohne die Hand an meinen Säckel zu legen.
»Und das Geld, Monsieur?« sprach der kleine Pfaff.
»Nichts da. Ich zahle hinterher.«
»Ei, Herr!« rief der kleine Pfaff lächelnd, »ich bin ehrlich, darauf Aymotins Wort!«
»Aymotin! Ist das Euer Name?«
»Ja, das ist er. Und ich bin noch nicht Abbé! Doch ohne Geld, Monsieur, gibt der Kirchendiener den Schlüssel nicht heraus!«
»Hier sind drei Sols für den Kirchendiener. Die fünf für das Domkapitel will ich oben auf den Türmen zahlen und Eure beiden Sols, Aymotin, wenn wir wieder herabgestiegen sind.«
»Ei der Daus, Monsieur, Ihr feilscht wie ein Jude, Lombarde oder Hugenott!«
»Davon ich keines bin. Lauft, Aymotin, und holt mir diesen Schlüssel. Ich warte hier auf Euch, indes ich noch ein wenig die Kirche besehe.«
»Monsieur«, sprach Aymotin mit einem leicht spitzbübischen Lächeln, »Ihr gebraucht in Eurer Rede manch okzitanisch Wort, das in Paris nicht geläufig.«
»Was!« entgegnete ich. »Bist du auch aus dem Süden?«
»Nein. Ich bin zu Paris geboren und habe es nie verlassen. Doch habe ich einen gar guten Freund, welcher spricht wie Ihr und das Französische mit dem Okzitanischen vermischt.«
Worauf Aymotin mir noch einen Blick zuwarf und davonlief, seine Soutane mit beiden Händen schürzend, daß er schneller laufen könne, was er mit gar anmutigen Bewegungen tat.
Er blieb so lange weg, daß ich meine drei Münzen schon verloren wähnte, doch dann kam er noch, ohne daß ich zu sagen wüßte, ob aus Ehrlichkeit oder wegen der Zuneigung, welche er für mich trug.
»Monsieur«, sprach er, »ich habe den Schlüssel für die Stiege, nicht aber für den Glockenstuhl. Der Kirchendiener wollte dafür noch drei Sols.«
»Dann werden wir die Glocken eben nicht sehen. Gehen wir.«
Nachdem die Pforte aufgeschlossen war – ich mußte ihm helfen, denn der Schlüssel war gar schwer und seine Hand zierlich –, stieg er flink vor mir die Stiege hinauf, sich dabei in den Hüften wiegend und mir zuweilen ein Lächeln und einen einladenden Blick über die Schulter zuwerfend.
Oh, Leser! wie groß und wie schön war Paris von der Höhe der Türme aus anzusehen, und mit welcher Bewegtheit sah ich es mir zu Füßen liegen wie ein gemaltes Bild mit seinen gar kleinen Häusern und mitten darin der anmutig gewundene Seine-Fluß.
Aymotin jedoch war durch das Treppensteigen ganz außer Atem geraten und keuchte zum Gotterbarmen.
»Aymotin«, sprach ich, »du bist zu rasch die Treppen gestiegen und hast deinen Lungen nicht Zeit genug gelassen, das vom Herzen bewegte Blut zu reinigen.«
»Was!« rief Aymotin
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