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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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vier oder fünf Gauner versuchten, sie Miroul gewaltsam zu entreißen, welcher sich wacker mit Faustschlägen und Fußtritten gegen die Angreifer wehrte, doch auf die Dauer schließlich der Überzahl erliegen mußte.
    »Sapperment, Aymotin!« schrie ich, »man will mir meine Stute stehlen!« Und in voller Hast raste ich die Stiege hinab, durchquerte die Tür, das Portal und den Kirchenplatz und fuhr mit gezogenem Degen wie ein Blitz unter die Diebe, indes ich gar fürchterliche Schreie ausstieß und wie ein Wilder mit der flachen Klinge auf sie einschlug, ohne dabei jedoch zuzustechen, ausgenommen bei einem, der ein Messer aus seinen Lumpen zog und damit nach mir hieb und welchem ich zur Strafe den Arm durchbohrte. Worauf er seine Waffe fallen ließ,eiligst die Flucht nahm, die anderen ihm nachfolgten und sie allesamt in den benachbarten Straßen verschwanden wie die Küchenschaben in ihren Löchern.
    »Miroul«, rief ich, nachdem das Gesindel vertrieben war, »du blutest ja! Bist du beschädigt?«
    »Es ist nichts weiter«, sprach Miroul, »nur ein Hautriß an der Hand! Oh, Moussu, Euer schönes Wams! So wie Ihr jetzt ausseht, könnt Ihr unmöglich Monsieur de Nançay Eure Aufwartung machen! Ihr müßt es erst flicken lassen.«
    Leider war dem so! Mein schönes Wams von blauem Satin, verfertigt vom Schneider Martinez kurz vor meinem Aufbruch von Montpellier, welches noch ganz neu war und mir so gut stand, was ich dich, lieber Leser, zu glauben bitte, obgleich du mit mir hörtest, wie jenes eitle Menschenkind in der Rue des Sablons es mit verächtlichen Worten bedachte, weil es nicht der »gängigen Pariser Mode« entspräche – dieses Wams also, auf das ich in meiner törichten Eitelkeit so stolz war, wies auf der Vorderseite einen Riß von zwei Zoll Länge auf, bei dessen Betrachtung es mir schier die Tränen in die Augen trieb und den Hals zuschnürte. Heiliger Himmel! welch ein seltsames Geschöpf ist doch der Mensch! Statt dem Schicksal auf beiden Knien zu danken, daß ich bei diesem Handel mit dem Leben davongekommen, denn die Klinge des Gauners hätte um Haaresbreite mein Herz getroffen, jammerte ich über die Beschädigung meines Wamses!
    »Monsieur«, sprach ein Gaffer, welcher mit gut drei Dutzend Guillaumes und Gautiers auf dem Platze Maulaffen feilgehalten, ohne auch nur einen Arm oder ein Bein zu rühren oder wenigstens nach der Stadtwache zu rufen, indes das Gesindel sich seiner Untat unterfing, »Monsieur, es ist nicht zu übersehen: Euer Wams hat einen gehörigen Riß bekommen!«
    »Und wer ist schuld daran?« schrie ich in plötzlichem Zorn. »Dieselben, welche dem Lumpenpack bei seiner Untat zugeschaut, ohne auch nur den kleinen Finger zu rühren, um meinem Diener Hilfe zu gewähren!«
    »Hoho, Monsieur!« rief der Gautier, »etwas abkriegen in einem Handgemenge auf der Straße, davor werde ich mich hüten! Sosehr ich auch jetzt den Verlust Eures Wamses bedaure!«
    »Und wer sagt dir, daß es hin ist?« schrie ich wider alle Vernunft.
    »Es ist augenscheinlich, daß das Wams gänzlich lädiert ist«, sprach ein anderer, »und ich kann mir nicht vorstellen, was die geschickteste Nadel da noch ausrichten soll.«
    »Monsieur«, fügte ein Dritter hinzu, »bringt es zum Trödelmarkt. Die Juden werden es Euch abkaufen zu einem geringen Preis, was immer noch besser ist als gar nichts.«
    »Ei, Moussu!« rief Miroul, welcher sah, wie mir die Zornesröte ins Gesicht stieg und meine Hand vor Grimm so zitterte, daß ich meinen Degen kaum in die Scheide zurückzustecken vermochte, »ich bitte Euch, geratet nicht in Zorn! Ihr seid heil und gesund! Und Eure Pompea ist es ebenfalls! Lasset uns in unser Quartier zurückkehren! Alizons Nadel wird Wunder tun!«
    »Oh, Miroul«, sprach ich auf okzitanisch, »am hellerlichten Tage! vor Notre-Dame! vor diesen glotzenden Maulaffen! Heiliger Himmel! ist dieses vielgerühmte Paris eine Mördergrube?«

FÜNFTES KAPITEL
     
    Meister Recroche war noch nicht wieder in sein Haus zurückgekehrt, und so hieß mich Alizon, kaum daß sie meines zerrissenen Wamses ansichtig geworden, dasselbe auszuziehen, indes sie einen blauen Seidenfaden einfädelte, und machte sich daran, den Riß zu flicken, was sie mit wunderbarlicher Behendigkeit und allergrößtem Geschick tat, dabei wachen Auges und aufmerksamen Ohres meinem Berichte lauschend, welchen sie mit flinker Zunge und lebhaften Gebärden kommentierte.
    »Ha, Monsieur«, sprach sie munter in ihrem pariserischen Französisch, »es

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