Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
beschwerlich ist, so man nur den Straßennamen kennt, die Behausung eines Freundes zu finden, sonderlich nach Einbruch der Nacht, wenn alle Nachbarn sich hinter ihren fest verschlossenen Türen verschanzen und einem nicht öffnen, nicht einmal antworten wollen; ganz zu schweigen von der unvorstellbar schwierigen Beförderung der Briefschaften, darauf die Adressen auf die allerkurioseste Art abgefaßt sind, wie ich es selbst mit eigenen Augen während meines Aufenthaltes in der Hauptstadt sah:
Herrn Guillaume de Marmoulet,
Edelmann,
Rue de la Ferronnerie zu Paris,
dessen Haus vier Häuser zur
Rechten von einem Haus gegenüber
dem Weißdornstrauch auf
dem Friedhof der Unschuldigen
Kindlein gelegen.
Und ist es nicht eine unglaubliche Beschwerlichkeit (welche obendrein Ursache unangenehmer Indiskretionen ist), daß man des Tags die Nachbarn befragen muß, wo der Mann wohnt, welchen man zu besuchen sich anschickt, und sich so der grenzenlosen Neugier und Schwatzhaftigkeit der Pariser aussetzt, wie es mir an jenem Morgen in der Rue des Sablons erging, als ich, von meinem Rosse abgesessen, an eine Tür von vornehmem Aussehen klopfte, auf daß man mir Monsieur de Nançays Behausung weise?
Es öffnete eine Hausmagd, welche nach Anhörung meiner Frage ohne eine Antwort verschwand, eine Art Gouvernante zu holen, welche, nachdem sie mich angehört, die Tochter des Hauses herbeiholte, die, ebenfalls ohne zu antworten, zu mir sprach:
»Monsieur, welch seltsames Französisch sprecht Ihr nur? Und woher stammt das seltsame Wams, welches Ihr traget, das so gar nicht der gängigen Mode entspricht?«
»Ich komme, Madame, aus dem Périgord, und mein Wams, welches Euch zu meinem großen Bedauern nicht gefällt, ward zu Montpellier vom Schneider des Herrn de Joyeuse verfertigt. Kann ich jetzt von Euch erfahren, Madame, wo Monsieur de Nançay wohnt?«
»Montpellier«, wiederholte sie und riß ihre hübschen nußbraunen Augen weit auf, »wo liegt dieser Berg, von dem Ihr sprecht?«
»Das ist eine Stadt, Madame, nahe am Mittelländischen Meer gelegen.«
Und ob sie jemals etwas vom Mittelländischen Meer gehört, bin ich mir bis zum heutigen Tage nicht sicher, denn mit einem Lächeln und einem tiefen Knicks, welcher mir einen ebenso tiefen Einblick gewährte, sprach sie zu mir, sie könne nichts entscheiden und wolle deshalb ihre Mutter holen, welche sich in der Tat nach kurzer Zeit auf der Schwelle zeigte, angetan mit einem blaßblauen Morgenkleid, welches ihre umfänglichen Reize so gut es ging stützte, das Gesicht zum Gotterbarmen geschminkt, das Haar zu blond, um echt zu sein.
»Madame«, sprach ich, mich fast bis aufs Pflaster verbeugend, »ich bin Ihr gehorsamster und ergebenster Diener. Kann ich von Ihnen erfahren, Madame …«
»Monsieur«, sprach sie von oben herab, mich von Kopf bis Fuß musternd, nicht ohne schließlich mit dem Ergebnis ihrer eingehenden Prüfung zufrieden zu sein, »wenn Ihr trotz Eurer wunderlichen Sprechweise, welche mir sehr nach Provinz klingt, ein Edelmann seid, wie mir deucht, so wüßte ich gern, wer Ihr seid.«
»Madame«, erwiderte ich, innerlich mit den Zähnen knirschend, äußerlich jedoch liebenswürdig, gefällig, geduldiger als ein Engel auf einem Heiligenbild, »ich werde Pierre de Siorac geheißen und bin der zweitgeborene Sohn des Barons von Mespech im Périgord.«
»So ist es recht. Ich habe mich also nicht getäuscht. Ihr seid nicht der erste beste Guillaume oder Gautier. Doch lieber Herr«, fuhr sie mit größter Neugier fort, »welche Angelegenheit führt Euch zu Monsieur de Nançay?«
»Madame«, sprach ich, »ich möchte es nicht an untertänigstem Respekt gegen Euch fehlen lassen, doch sollte ich das nicht besser Monsieur de Nançay selbst vermelden?«
»Ihr müßt wissen, Monsieur«, sprach sie, mitnichten gekränkt, »ich stehe auf höchst freundschaftlichem Fuße mit Monsieur de Nançay, und ich möchte keinesfalls, daß er sich beklage, ich hätte ihm eine ungelegene Person geschickt.«
»Eine solche bin ich keineswegs«, entgegnete ich etwas gekränkt, »mein Vater kennt Monsieur de Nançay, denn sie haben zusammen bei Calais unter dem Herzog von Guise gekämpft.«
»Der Herzog von Guise!« rief sie, sichtlich bewegt und mit bebendem Busen. »Euer Herr Vater hat unter dem Herzog von Guise gedient! Oh, Monsieur! Ihr sprecht von meinem Helden! Der größte und schönste, der frömmste aller Edelleute Frankreichs! Der Retter des Königreiches! Der Schutzwall
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