Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
schräg.
»Ist Frau Kurt zu Hause?« Frank Janssen zeigte seinen Ausweis, aber das Mädchen glotzte ihn nur verständnislos an.
»Is Mrs Kurt at home?«
, versuchte es Flemming.
»Oh! Yes, yes. Just a minute«
, erwiderte das Mädchen und warf die Tür wieder zu.
Flemming und Frank wechselten einen Blick und wollten noch einmal klingeln, als eine andere Frau die Tür öffnete. »Entschuldigen Sie«, sagte sie. »Cathie ist neu hier. Sie hat die Feinheiten noch nicht ganz drauf.« Sie entblößte ihre gepflegten Zähne zu einem strahlenden Lächeln und streckte die Hand aus. »Henriette Kurt. Guten Tag.«
»Flemming Torp, Kriminalpolizei. Und das ist mein Kollege, Kriminalassistent Frank Janssen«, fügte er hinzu.
Sie folgten ihr in das weiße Palais. Frau Kurt trug Freizeitkleidung: eine lavendelblaue Leinenhose und ein eng sitzendes weißes T-Shirt. Über die Schultern hatte sie einen Wollschal mit handgestickten Vögeln und Blumen aus bunten Seidenfäden gelegt und modische weiße Lammfellstiefel wärmten ihre Füße. Alles in allem eine völlig korrekte Bekleidung an einem kalten Wintertag im eigenen, frisch renovierten Haus.
Der Blick aus dem Wohnzimmerfenster nahm Flemming fast den Atem. Von hier aus konnte man den größten Teil von Christianssund mit der Fjordlandschaft im Hintergrund übersehen. Gern wäre er eine Weile stehen geblieben und hätte die Aussicht genossen, aber er wusste, dass dafür nicht der richtige Augenblick war. Er folgte Henriette Kurt zu einer Sofagruppe vor dem Kamin. Die Glut von ein paar großen Scheiten zerfiel hinter dem Kamingitter. Henriette warf einen kurzen Blick darauf, dann drückte sie auf einen Knopf neben dem Kaminsims. Sofort stand eine weitere Asiatin neben ihr. Sie war etwas älter und fülliger, doch der hellblaue Kittel stammte offensicht- lich aus dem gleichen Schrank wie bei dem ersten Hausmädchen.
»Bist du so nett und legst noch etwas Holz auf, Rosa?«, sagte Henriette mit einer Stimme, die deutlich zum Ausdruck brachte, dass es sich keineswegs um eine Bitte handelte. Es war ein Befehl mit einem indirekten Tadel. Rosa gehorchte umgehend, und Henriette wandte sich an Flemming. »Was darf ich Ihnen anbieten? Kaffee? Tee? Ein Glas Wein?«
»Nichts, danke.« Flemming hätte gern etwas Warmes getrunken, aber er wusste aus Erfahrung, dass die Menschen sich besser unter Kontrolle hatten, wenn sie ihren Gästen etwas servieren durften. Schlug man das Angebot aus, sicherte man sich in gewisser Weise einen Vorsprung. Und Flemming hatte ganz eindeutig das Gefühl, es könnte von Vorteil sein, bei einer eventuellen Diskussion mit Henriette Kurt einen Vorsprung zu haben. »Wie viele Angestellte haben Sie?«, erkundigte er sich, als die Hausherrin die Frau in dem hellblauen Kittel mit einer beiläufigen Handbewegung aus dem Zimmer gewiesen hatte.
»Oh«, Henriette sah einen Moment verwirrt aus. Offenbar zählte sie ihre Angestellten eher selten. »Tja, also Rosa kümmert sich um den Haushalt, und ihre kleine Schwester Cathie, die Ihnen die Tür geöffnet hat, holt die Kinder aus der Schule, macht sauber und hilft Rosa. Sie ist erst seit wenigen Wochen hier. Und dann gibt es noch Eddie. Er kümmert sich um den Garten, um den Pool und erledigt kleinere Reparaturen, Malerarbeiten und so was. Er wohnt allerdings nicht hier.«
Henriette ließ sich in eins der drei gepolsterten cremefarbenen Sofas fallen. Frank Janssen setzte sich ebenfalls, während Flemming es vorzog, stehen zu bleiben. Er zog den zusammengefalteten Ausdruck von Elisabeths Mail aus der Tasche und sagte, während er das Blatt glättete: »Wie ist Ihr Verhältnis zu Elisabeth Lund?«
Henriette runzelte die Stirn. »Elisabeth ist seit vielen Jahren die Sekretärin meines Mannes. Soweit ich weiß, ist er sehr zufrieden mit ihr.«
»Persönlich haben Sie keine Beziehung zu Elisabeth Lund?«
»Sie hat mir ein paarmal geholfen, Geschäftsessen zu organisieren, und manchmal hinterlasse ich Nachrichten für meinen Mann bei ihr. Sonst habe ich nichts mit ihr zu tun.«
»Also schreiben Sie sich niemals Mails oder SMS ?«
»Daran kann ich mich nicht erinnern.«
»Dann finde ich diese Mail sonderbar«, sagte Flemming und hielt das Blatt mit ausgestrecktem Arm hoch. »Hier steht: ›Weißt Du, wo S ist? M sagt, dass L sich Sorgen macht. Küss die Kinder.‹ Die Mail wurde von Elisabeth Lund vor vierzehn Tagen an Ihre Mailadresse geschickt. Ich finde den Ton ziemlich intim, dafür, dass Sie sich privat
Weitere Kostenlose Bücher