Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
So sind dort die Regeln, es gibt kein Krankengeld und keinen bezahlten Urlaub, Geburten sind nicht eingeplant. Mit zehntausend Kronen in der Tasche konnte sie es sich erlauben, fünf Wochen zu Hause zu bleiben und zu Kräften zu kommen. Hätte sie mehr Geld gebraucht, hätte ich es ihr mit Freuden gegeben.«
»Akzeptiert. Entschuldigung. Ich musste die Frage stellen.« Dan lehnte sich auf dem steifen Sofa zurück. »Ich werde Sie, Nanna und Tobias nicht in die Sache hineinziehen, wenn es irgendwie möglich ist, Regitze. Der Kriminalkommissar ist ein guter Freund von mir, das stimmt, ich werde ihm trotzdem nicht alles erzählen, und er weiß nichts über Ihre Rolle in der ganzen Geschichte. Er wird es auch nicht erfahren. Jedenfalls nicht von mir. Wenn Ihr Name im Laufe der Ermittlungen irgendwo anders auftaucht, dann müssen Sie sich auf die ärztliche Schweigepflicht berufen.« Sie nickte. »Wenn Sie nur das absolut Notwendige sagen, werden sie mit Ihnen nicht sehr weit kommen. In jedem Fall nicht weit genug, um etwas Belastendes gegen Sie zu finden. Das ist jedenfalls meine Meinung.«
»Danke.«
»Was Benjamin angeht, der mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass Lilliana vor vierzehn Monaten ein Kind bekommen hat, so werde ich ihn ganz einfach bitten, den Mund zu halten. Das kann er durchaus. Er ist okay.«
»Danke.«
»Und was Marianne betrifft …«
»Oh, können wir sie nicht heraushalten? Ich ertrage es nicht, wenn mehr als wir drei hier in diesem Zimmer Bescheid wissen.«
»Ganz meine Rede.« Dan lächelte.
Regitze sah leer und so ausgetrocknet aus wie eine Schlangenhaut am Straßenrand. Sie tat Dan leid, aber es war an der Zeit, dass sie ihren Teil der Vereinbarung erfüllte, egal, wie müde sie war.
»Tja, ich hätte gern noch die Namen, Regitze.«
Sie blickte auf. »Sie haben es niemals von mir gehört, klar?«
»Was Sie mir jetzt erzählen? Nein.«
»Und Sie müssen wissen, dass ich nur eine Ecke des Netzwerks kenne. Es ist garantiert viel größer als der Bereich, über den ich Bescheid weiß.«
»Ich weiß.«
»Wie gesagt, meine Kontaktperson ist Elisabeth Lund. Sie gibt mir Bescheid, wenn eines der Mädchen ärztliche Hilfe benötigt. Ich besuche sie grundsätzlich zu Hause, in meine Praxis kommen sie nie. Hin und wieder vereinbaren wir eine Zeit im Voraus, dann versuche ich, die Besuche außerhalb meiner Sprechstundenzeiten zu legen. Manchmal ist aber auch ein neu angekommenes Mädchen sehr krank und braucht sofort Hilfe. In diesen Fällen muss ich kurzfristig freimachen. Die Nachrichten kommen stets von Elisabeth und immer per SMS . Alle Kurznachrichten werden nach dem Eingang gelöscht. So lautet die Anweisung.«
»Von Elisabeth?«
Regitze nickte. »Elisabeths Schwester verhilft den meisten Mädchen zu einem Job. Meist als Putzfrau, glaube ich. Ich bin ihr nur einmal begegnet, wir werden vermutlich nie Busenfreundinnen. Ich finde, es ist unter aller Kritik, wie sie die Mädchen behandelt. Sie zieht zum Beispiel die Ausgaben für eine Aushilfe vom Arbeitslohn ab, wenn eine ihrer Mitarbeiterinnen krank ist. Es ist die totale Ausbeutung. Trotzdem sind die Mädchen zufrieden. Solange sie nur den Verhältnissen entkommen, aus denen sie geflüchtet sind, machen sie alles mit.«
»Elisabeth koordiniert, ihre Schwester versorgt sie mit Arbeit, Sie sind für die medizinische Hilfe zuständig. Wer ist noch dabei?«
»Das Gebäude in der Jernbanegade gehört Henriette Kurt.«
»Henriette Kurt? Sebastian Kurts Frau?«
»Richtig. Ich glaube, sie besitzt mehrere Gebäude in der Gegend. Sie kann jedenfalls immer eine Wohnung besorgen.«
Dan schüttelte den Kopf. Henriette Kurt. Das lebende Röntgenbild mit der solariumbraunen Haut, den sorgfältig manikürten Nägeln und der schimmernden Pagenfrisur mit den kunstvollen blonden Strähnen. Nicht gerade der Prototyp für jemanden, der aus reiner Mitmenschlichkeit entlaufenen Prostituierten hilft.
»Was ist mit René Holgersen?«
»Wer ist das?«
»Ein junger Regisseur, der gerade eine Internetkampagne für die Organisation vorbereitet.«
»Nie von ihm gehört. Ich glaube, nur Elisabeth hat den vollen Überblick.«
»Gibt es noch jemanden, von dem Sie wissen?«
»Ja, es gibt einen Polizisten, oder besser: eine Polizistin. Sie hat eine ziemlich wichtige Funktion, weil sie in vielen Fällen das Bindeglied zwischen den Frauen ist, die irgendwo anders im Land in Not sind, und uns hier in Christianssund. Wenn eine Frau, die auf der Flucht ist und
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