Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
Palais sah, war ihr flatterndes Augenlid.
Elisabeth, ihr Name tauchte immer wieder auf, und es wurde immer schwieriger, ihn zu ignorieren. Dan blieb einige Minuten im Auto sitzen, nachdem er Regitzes Haus verlassen hatte. Seine Gedanken flatterten umher wie ein Schwarm Krähen, auf den geschossen wurde, das Resultat blieb dasselbe, egal wie er es drehte und wendete. Alles deutete darauf hin, dass Elisabeth Lund eine zentrale Rolle in dieser Geschichte spielte. Er konnte das Bild eines gut funktionierenden Netzwerks durchaus mit der Elisabeth in Einklang bringen, die er kannte. Aber sobald er darüber nachdachte, dass dieses Netzwerk offenbar in zwei Morde verwickelt war, schaltete sich sein Gehirn ab. Elisabeth Lund war sicher imstande, etwas zu tun, was nicht hundertprozentig legal war, wenn es darum ging, anderen Menschen zu helfen, ganz und gar nicht vorstellen konnte er sich, dass sie in die brutale Ausbeutung eines ganzen Hauses voller wehrloser Frauen verwickelt sein sollte. Oder sogar in etwas Gewalttätiges. Dan dachte an das hübsche kleine Grübchen an ihrem Mundwinkel, wenn sie versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken; an die schweren Augenlider, die so sexy schläfrig über ihre grünen Augen glitten; an ihren Nacken unter der aufgesteckten Frisur. Wie oft hatte er neben ihr gestanden und seinen Drang bekämpft, sie genau dort, in der dunklen Grube unter den Haaren, zu streicheln, um die beiden langen, geschmeidigen Nackenmuskelstränge in seiner Hand zu spüren. Vielleicht war er ja auch vollkommen außerstande, ihre Motive zu beurteilen?
Er startete den Motor und ließ den Wagen durch die schmalen Einfamilienhausstraßen rollen, während er weiter nachdachte. Nach einigen Minuten fuhr er an Flemmings bescheidenem Haus aus gelbem Backstein vorbei, das merkwürdig verlassen aussah. Er hielt einen Moment und betrachtete die zierliche Ligusterhecke, den zerzausten Rosmarinbusch an der Südmauer und den durchlöcherten Fußball in der Einfahrt. Wie lange war es her, seit Karin ihren Mann verlassen hatte? War wirklich schon ein halbes Jahr vergangen? Wann hatte er Flemming eigentlich das letzte Mal gefragt, wie es ihm ging? Wie oft sah der Mann seine Kinder? Dan wusste, dass seine Depression ihn zu einem schlechten Freund gemacht hatte. Andererseits konnte man schon sagen, dass Marianne sich fürsorglich um ihren Exfreund kümmerte, ging ihm plötzlich durch den Kopf. Der Gedanke setzte sich fest: Hatte der grundehrliche Flemming nun beschlossen, es sei
payback time
und der überaus korrekten Marianne von Dans Seitensprüngen erzählt? Vielleicht war ihre Affäre eine einzige große, gemeinsame Racheaktion, weil Dan damals …
Wach auf, Mann! Nicht alles dreht sich um dich! Dan schlug sich in Gedanken selbst auf die Finger. Es war einfach schwachsinnig, so verbittert und eifersüchtig zu werden. Zeitverschwendung im Grunde. Trotzdem war es ärgerlich, dass dieser Mordfall einen Keil zwischen Flemming und ihn getrieben hatte, dachte er, als er den ersten Gang einlegte und in einem gemächlichen Tempo weiterfuhr. Dan hatte sich daran gewöhnt, beinahe täglich Kontakt zu Flemming zu haben. Das musste nicht für lange sein, oft war es nur eine einzige Bemerkung über irgendetwas, das einer von beiden im Radio gehört hatte, eine SMS als Verabredung zum Abendessen oder zu einer Runde Badminton. Dennoch.
Dan beschloss, am Abend anzurufen, wenn Flemming hoffentlich zu Hause war. Abgesehen von allem Persönlichen war es doch ziemlich idiotisch, sich nicht über ihre Fortschritte in dem Mordfall auszutauschen. Ob es jemand für unzweckmäßig hielt oder nicht, Dan war in die Ermittlungen verwickelt, und es war unvernünftig, die Ergebnisse nicht weiterzugeben, die er ausgegraben hatte. Er wusste, dass es sehr viele Details gab, die er Flemming nicht erzählen konnte, allein weil er verschiedenen Leuten versprochen hatte, ihre Namen für sich zu behalten. Aber es gab auch sehr viele Details, die Flemming so rasch wie möglich erfahren sollte, zum Beispiel die interessante Information, dass seine Stellvertreterin ein Teil des Netzwerkes war. Und wenn Elisabeth wirklich so darin verwickelt war, wie es momentan aussah, musste er Flemming auch von ihr erzählen.
Dan fuhr schneller. Er wusste plötzlich, was er wollte.
Als er eine Viertelstunde später auf dem Gästeparkplatz vor Kurt & Ko hielt, hatte er sich entschieden, wie er das Gespräch angehen wollte. Er war so konzentriert auf die bevorstehende Aufgabe,
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