Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
Geldbeutel«, sagte sie und setzte sich auf einen der freien Stühle im Wartezimmer. »Sein Unterkiefer ist mehrfach gebrochen, er hat vier Zähne verloren, und ich habe Angst, dass er auf dem linken Auge nie wieder sehen wird. Dazu kommen eine heftige Gehirnerschütterung und eine kleine Fraktur an der Schläfe. Unmöglich zu sagen, ob dauerhafte Schäden zurückbleiben werden.«
»Aber daran stirbt er doch nicht?« Dan musste die Stimme heben, um Lauras verzweifeltes Schluchzen zu übertönen. »Oder?«
»Nein, nicht direkt. Aber die Behandlung ist nicht gerade billig, und schmerzfrei ist es auch nicht. In der ersten Zeit wird Luffe nicht allein fressen können, er braucht intensive Pflege mit künstlicher Ernährung, Tropf und Beobachtung rund um die Uhr. Ist ja ein alter Hund …«
Dan stand auf. »Laura, würdest du bitte zu Benjamin nach draußen gehen?« Er schob das weinende Mädchen vor sich her und öffnete die Tür. Glücklicherweise stand Benjamin direkt davor und rauchte sich in Rekordzeit durch eine Packung Zigaretten. Er verstand, ohne dass Dan sagen musste, was von ihm erwartet wurde, und zog Laura zum Auto. Es stand seit einer Dreiviertelstunde quer auf dem Bürgersteig.
Dan ging wieder ins Wartezimmer. »Was würdest du tun, wenn es dein eigener Hund wäre?«, fragte er.
Die Tierärztin antwortete nicht direkt. »Komm mit rein«, forderte sie ihn auf. Sie war eine kräftige rothaarige Frau mit Sommersprossen auf den großen, muskulösen Händen und Armen. Seit Luffe ein Welpe war, hatte sich Hanne Bentzen als Tierärztin um ihn gekümmert, Dan hatte nahezu unbegrenztes Vertrauen in ihre Urteilskraft. Sie ging an einem geflochtenen Korb vorbei, in dem Luffe unter einer warmen Decke lag. Der alte Hund hatte eine Spritze mit einem beruhigenden und schmerzstillenden Mittel bekommen, sodass er vollkommen entspannt auf der rechten Seite lag und mit einem blutbespritzten weißen Baumwollverband an der Schnauze vor sich hin dämmerte. Als Dan vorbeiging, hob der Hund eine Augenbraue und wippte ein paarmal mit der Schwanzspitze, bevor er wieder eindöste. Sein linkes Auge war blutig zugeschwollen.
Dan spürte, wie es ihm die Kehle zuschnürte. Hastig lief er der Ärztin hinterher. Hanne war vor der Rückwand des Raumes stehen geblieben, an der Röntgenbilder an einer langen, schmalen Lichttafel hingen. Es war nicht schwer zu erkennen, warum die Tierärztin einer Behandlung von Luffes Verletzungen so zögernd gegenüberstand. Der Unterkieferknochen sah aus wie ein Puzzlespiel, bei dem nur die Geschicktesten erfolgreich sein konnten.
»Wenn der Knochen so beschädigt ist, muss man ihn mit einer Metallplatte und einigen Schrauben als äußerer Schiene fixieren. Hier.« Die Tierärztin zeigte auf das Röntgenbild. »Das heißt, Luffe müsste für ein paar Wochen mehr oder weniger betäubt bleiben, und danach käme eine lange Phase, in der er nur Weiches oder Flüssiges fressen könnte.«
»Kann er denn wieder ganz gesund werden?«
»Ich kann nichts versprechen. Wir wissen ja noch immer nicht, wie geschädigt sein Gehirn ist. Das sehen wir erst, wenn wir ihn gescannt haben. Und das geht nur in Kopenhagen, auf der Landwirtschaftlichen Hochschule …« Hanne Bentzen hockte sich an den Korb und legte eine ihrer großen, hellroten Hände auf Luffes Brustkasten. Er reagierte nicht. »Luffe ist ein alter Herr, Dan. Elfeinhalb Jahre ist ein hübsches Alter für einen Hund in dieser Größe.«
»Ich kann einen solchen Beschluss nicht allein fassen«, sagte Dan. »Wir müssen warten, bis Marianne hier ist. Sie ist unterwegs.«
Er setzte sich neben den Korb auf den Boden und griff vorsichtig nach Luffes Vorderpfote. Die frisch geschnittenen Klauen lagen schwarz und glänzend auf seiner Handfläche. Das hätte Benjamin sich sparen können, dachte Dan und wusste sofort, was diese Assoziation bedeutete. Niemand von ihnen würde zusehen können, wenn es Luffe wochenlang dreckig ging. Jedenfalls nicht so dreckig. Er legte die Wange an Luffes Seite und hörte den steten, regelmäßigen Herztönen zu, während er auf seine Frau wartete. Als sie kurz darauf erschien, brachte sie Laura mit in die Praxis, damit alle sich verabschieden konnten.
Eine halbe Stunde später war es überstanden. Sie könnten Luffes Asche in einer Woche abholen, hatte Hanne gesagt und entschuldigend gelächelt, als sie die Rechnung über den Empfangstresen reichte. Der doppelte Preis. Es war schließlich Wochenende.
Als Dan in der
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