Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
»Hier.« Vier kreisrunde, rotlila Abdrücke leuchteten auf der Innenseite seines schneeweißen Arms. Kein Zweifel, dass sie ein paar Stunden später in ein dunkles Lila übergehen würden. »Er hat mich festgehalten und auf den Boden gedrückt und dabei gebrüllt, es sei ungerecht, er hätte nie eine Chance bekommen und meine Mutter hätte mich einer Gehirnwäsche unterzogen, um mich gegen ihn aufzubringen.« Benjamin zog die Jacke wieder an und schüttelte sich. »Laura hat auf ihn eingeschlagen. Sie ahnte ja nicht, wer er war. Dann richtete er sich auf und schlug nach ihr, wobei er mich mit einem Fuß auf meiner Schulter am Boden hielt. Es tut immer noch scheißweh. Und plötzlich kam Luffe dazu.« Benjamin lächelte. »Ich hätte nie gedacht, dass dieser dicke, nette Hund so etwas in sich hatte, aber ihr hättet ihn sehen sollen. Er griff an wie ein Rottweiler, fletschte wütend die Zähne und biss meinem Vater in die Hand.«
»Luffe?« Marianne guckte ungläubig. »Er konnte beißen?«
»Du hättest ihn sehen sollen«, wiederholte Benjamin und sah ihr zum ersten Mal in die Augen. »Du wärst stolz auf ihn gewesen.«
»Er wollte euch verteidigen«, sagte Marianne, und wieder liefen ihr Tränen über die Wangen. »Guter, alter Luffe.«
»Ja, und es gelang ihm auch, denn mein Vater ließ mich los, er musste sich um Luffe kümmern. Luffe hatte sich in seine linke Hand verbissen und wollte nicht loslassen. Seine Kampftechnik war nicht sonderlich ausgereift, aber er tat sein Bestes. Mein Vater versuchte, die Hand aus der Schnauze zu ziehen, aber Luffe biss nur noch fester zu, man konnte sehen, dass er seine Zähne regelrecht in der Hand vergraben hatte. Es blutete. Sehr. Dann fing mein Vater an, nach Luffe zu treten, um sich zu befreien. Er trat ihm ein, zwei Mal direkt an den Kopf, und schließlich musste Luffe loslassen. Wir riefen ihn und liefen davon. Obwohl mein Vater uns anfangs noch nachlief, blieb er ziemlich schnell stehen. Seine Hand blutete zu sehr. Als wir zum Wagen kamen, habe ich mir Luffe dann richtig angesehen. Und dann sah ich …« Seine Stimme versagte. »Die Schnauze sah völlig verschoben aus, überall war Blut, außerdem lief er so komisch, als sei er besoffen …« Er brach ab.
Es war still im Wagen, als Dan und Marianne die Geschichte verdauten. Schließlich sagte Dan: »Es war gut, sofort mit ihm zum Tierarzt zu fahren. Wusste Laura, dass Hanne in der Wohnung über der Praxis wohnt?«
Benjamin nickte. Er schluckte ein paarmal, dann öffnete er plötzlich die Wagentür, stieg aus und ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Seine Schritte waren lang und zielgerichtet, und er sah sich nicht um, als er um die Ecke der Algade bog.
Dan wandte sich an seine Frau. »Bitte geh du zu Laura. Ihr müsst Rasmus anrufen und es ihm sagen.« Er küsste sie.
»Wo willst du hin?«
»Ich schnappe mir John Frandsen. Verdammt, diese Sache wird ihm noch leidtun.«
»Dan, zum Teufel.« Mariannes Augen funkelten. »Was hast du vor? Ist er nicht doppelt so groß wie du? Und obendrein ein ausgewachsener Psychopath?«
»Ich komme schon zurecht. Ich habe die Polizei im Rücken.«
»Hörst du bitte damit auf?«
»Ich passe auf. Das verspreche ich.«
Als Flemming Dan vor der Tierklinik abgesetzt hatte, fuhr er direkt auf den Parkplatz des Hotels Marina. Der blaue Mazda war nirgends zu sehen. Das gibt’s doch nicht, dachte er. Man sollte doch meinen, es müsste ziemlich leicht sein, einen Blick auf den Parkplatz zu werfen. Svend Pedersen hatte die Verantwortung für die Beschattung, und er hatte behauptet, John Frandsen würde noch schlafen. Wie um alles in der Welt war der Mann zu dieser Schlussfolgerung gekommen, wenn das Auto nicht an seinem Platz stand?
Flemming ging durch die Glastür in die Lobby, wo Svend bei einer Tasse Kaffee Zeitung las. Adam Holck hatte sich offenbar am Hinterausgang postiert.
»Na, und?«, sagte Flemming. »Ist er noch immer da oben?«
Svend Pedersen nickte. »Wir haben jedenfalls nichts von ihm gesehen. Willst du eine Tasse Kaffee?«
»Schwörst du, dass er auch vor einer halben Stunde in seinem Zimmer war?«
Der Blick des Kriminalassistenten begann zu flackern. »Na ja, davon gehe ich aus. Seine Schlüssel wurden heute Morgen nicht an der Rezeption abgegeben«, antwortete er hektisch, als er Flemmings Gesichtsausdruck registrierte.
»Hast du überprüft, ob sein Wagen auf dem Parkplatz steht?«
»Ja, ich bin vorbeigegangen.«
»Hast du ihn gesehen?«
Svend Pedersen
Weitere Kostenlose Bücher