Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
schüttelte den Kopf und blickte auf seine Schuhe, ein Paar solide, braune Laufschuhe mit Rillenprofil.
»Willst du wissen, wo John Peter Frandsen vor einer halben Stunde war?«, erkundigte sich Flemming Torp.
Svend nickte.
»Er hat oben im Wald einen alten, gichtgeplagten Hund halb totgetreten, während die Besitzerin daneben stand und dabei zusehen musste.«
Svend Pedersen hob den Kopf und starrte ihn ungläubig an. »Aber …?«
»Es ist wirklich sehr beruhigend, wie du einen Mordverdächtigen bewachst.« Flemming verdrängte seine Sorge um die ein wenig zu häufig versagende Urteilskraft des jungen Kriminalassistenten. Es gab Wichtigeres zu erledigen. Er drehte auf dem Absatz um und ging zur Rezeption. Nach einem kurzen Gespräch mit der jungen, dunkelhaarigen Empfangsdame, die darauf bestand, seinen Kripo-Ausweis lange und gründlich zu studieren, erhielt er einen Hauptschlüssel, der für alle Zimmer passte.
»Ich verstehe es nicht, Kommissar Torp«, sagte sie. »Warum sollte Herr Frandsen den Schlüssel mitnehmen? Der ist doch ziemlich schwer.« Sie zeigte ihm einen entsprechenden Schlüssel, bei dem die Zimmernummer in eine massive Messingkugel von der Größe eines Golfballs eingraviert war.
Flemming wog ihn einen Augenblick in der Hand und zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Aber er hat ein Auto. Vielleicht liegt der Schlüssel einfach auf dem Beifahrersitz.«
Er lief in die dritte Etage bis zu Peter Frandsens Zimmer, Svend Pedersen folgte ihm auf dem Fuße. Als sie vor Zimmer 314 standen, kam Adam Holck dazu. Flemming klopfte zur Sicherheit an, niemand antwortete. Dann schloss er die Tür auf. Er blieb auf dem Flur stehen, als er hineinsah. Das Einzelzimmer war klein und gemütlich. Ein roter Wollteppich lag auf dem Boden, die Gardinen hatten ein passendes Webmuster aus Friedenslilien und gekreuzten Schwertern auf einem beigefarbenen Hintergrund. Über dem Bett hing das gerahmte Aquarell einer Fjordlandschaft. Das Bett war nicht gemacht, ein tiefer Abdruck in dem dicken Kopfkissen zeigte, dass jemand darin geschlafen hatte. Auf einer niedrigen, gepolsterten Bank stand ein offener Koffer, auf dem winzigen Schreibtisch aus dunkel gebeiztem Holz lag ein kleiner Haufen mit Kleinigkeiten, als hätte jemand kürzlich seine Hosentaschen geleert.
Ohne sich umzudrehen, sagte Flemming: »Weißt du, was, Pedersen, lauf zum Präsidium und hol mir einen Overall. Denk auch an die Maske. Einweghandschuhe habe ich dabei. Bei dieser Gelegenheit kannst du auch den Technikern Bescheid geben. Sag ihnen, es eilt.«
»Und was ist mit mir?«, wollte Adam Holck wissen.
»Du bleibst hier vor der Tür und passt auf, bis die Techniker eintreffen.«
Als Flemming sich wenige Minuten später den Overall, die Maske, das Haarnetz und den Schuhschutz angezogen hatte, betrat er das Zimmer und schaltete das Licht ein, indem er mit der Spitze seines Kugelschreibers auf den Schalter drückte. Er zog die dünnen Latexhandschuhe an und begann. Das Bett interessierte ihn nicht, unmittelbar sah es nicht so aus, als gäbe es darin irgendetwas Unerwartetes. Bettdecke, zwei Kopfkissen, Laken. Die Überdecke lag auf dem Boden. Kein Buch auf dem Nachttisch, nur ein Touristenstadtplan von Christianssund und ein Aschenbecher mit einem imponierenden Haufen Zigarettenkippen. Prince, die starke Sorte. Die Schubladen waren leer. Im Koffer lag vor allem schmutzige Wäsche, allerdings waren zwei Hemden und drei Unterhosen auffallend sorgfältig gewaschen, gebügelt und zusammengelegt. Die Hemden waren noch mit einer Papierbinde von einer Wäscherei in der Bødkergade versehen. John Frandsen hatte sich also lange genug in Christianssund aufgehalten, um einen Berg schmutziger Wäsche anzusammeln, und er hatte einiges davon waschen lassen. Flemming notierte den Namen der Wäscherei. Er würde so bald wie möglich mit ihnen reden. Wenn Johns Sachen am Tag nach dem Mord an Sally so blutig waren, wie Flemming es sich vorstellte, würden sie sich in der Wäscherei sicher daran erinnern. Es sei denn, der Mann hatte die Sachen einfach weggeworfen. Im Koffer gab es keinerlei Lesestoff, es sei denn, man zählte ein dickes Bündel Tausendkronenscheine zu dieser Kategorie. Es lag in einem weißen Umschlag im Reißverschlussfach des Koffers. Fünfzigtausend, wie eine rasche Zählung ergab. Flemming schüttelte den Kopf und legte den Umschlag zurück. Neben der Kofferbank stand ein Paar hellbrauner Cowboystiefel. Also trug der Mann jetzt die kräftigen,
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