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Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)

Titel: Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Grue
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mich mit dem Mord beschäftige und darüber nachdenke, was wir herausgefunden haben, fühle ich mich vollkommen gesund. Dann spüre ich eine Unmenge an Energie und Lust, allerdings stellt sich dieses Gefühl überhaupt nicht ein, wenn ich an meine richtige Arbeit denke. Du kannst mir glauben, ich merke es sofort, wenn ich dort bin.«
    »Wie?«
    »Wie es sich anfühlt? Überhaupt nicht gut.« Langsam steckte er das Brotmesser in den Besteckkasten der Spülmaschine. »Ich bekomme Magenschmerzen, wenn ich nur daran denke.«
    »Weiß Kurt eigentlich, woran du erkrankt bist?«
    Dan setzte sich wieder auf seinen Platz. »Ja und nein. Ich habe es ihm nie direkt gesagt, seine Sekretärin weiß es, und Fiona und Christoffer wissen es.«
    »Dann weiß Kurt es auch«, unterbrach ihn Marianne. »Aber wieso um alles in der Welt hast du es ihm nicht selbst gesagt? Kurt ist doch ziemlich vernünftig, oder?«
    »Das ist keine Frage der Vernunft, Marianne.« Dan schaute eine Weile auf seine Hände. »Ich glaube eher, es ist eine Frage des Unterschieds zwischen Männern und Frauen.«
    Sie runzelte die Brauen. »Versteh ich nicht.«
    Er schaute auf. »Okay. Wenn eine Frau krank geworden wäre, Fiona zum Beispiel, ja?« Sie nickte. »Dann würde niemand daran zweifeln, was los ist. Sie würde nicht nur mit ihren engsten Kolleginnen und Freundinnen darüber reden, sie würde es offen mit Kurt, mit mir, mit allen möglichen Leuten diskutieren. Und wenn alles überstanden und sie in zwei Jahren bei einem Einstellungsgespräch einem wildfremden Mann gegenübersäße, würde sie fröhlich und unbeschwert davon erzählen, wie schrecklich es war, als sie eine Depression hatte, nicht wahr?«
    »Vermutlich.«
    »Und bei Weitem die meisten Menschen werden denken: Wie gut sie damit umgeht und wie gut sie darüber hinweggekommen ist, sie muss in ihrem Inneren eine wirklich starke Frau sein. Dass sie eine Depression hatte, unterstreicht ihre Stärke regelrecht.«
    »Na ja, es ist Fiona.«
    »Ja natürlich, es ist Fiona. Aber ich nehme sie trotzdem als Beispiel. Es ist nämlich nicht der Kranke, der in diesem Zusammenhang interessant ist. Sondern wir anderen.« Er machte eine kleine Pause, bevor er fortfuhr: »Wenn Fiona in zwei Jahren vor dem wildfremden Mann sitzt und vollkommen normal, gut argumentierend und logisch wirkt und wenn sie ihre Mappe herausholt, damit er sich ansehen kann, wie viele fantastische Kampagnen sie im Laufe der Jahre organisiert hat, und wenn sie in einem Nebensatz erzählt, dass sie irgendwann auch mal mit einer stressbedingten Depression zu tun hatte. Was gäbe es dann für einen Grund, sie
nicht
einzustellen?«
    »Ihr Alter?«
    Dan staunte einen Augenblick. Dann nickte er. »Guter Punkt, sagen wir also, sie ist zwanzig Jahre jünger. Stell sie dir vor.«
    Marianne schloss die Augen und wusste es sofort. »Ihr Gewicht.«
    »Genau. Für Frauen ist eine Depression inzwischen nicht mehr das große Tabu. Vor allem nicht gegenüber anderen Frauen. Alle, die Illustrierte lesen, wissen, dass eine Depression eine sehr ernst zu nehmende Krankheit ist und dass man nicht notwendigerweise einen weichen Keks haben muss oder eine Sonderbehandlung braucht, nur weil man eine Depression hatte. Übergewicht dagegen ist bei einer Frau ein Makel. Wenn sie fett ist, kann sie weder präsentieren, noch wird man sie für psychisch stark halten. Und in dieser Beurteilung sind sich Männer und Frauen einig.«
    »Ja, das mag sein.«
    »Ein Mann dagegen darf gern ein wenig kräftig sein. Der Ausdruck ›bärig‹ ist auch nicht unbedingt herabsetzend, oder? Aber er wird nur bei Männern benutzt. Es gibt einfach keinen entsprechenden liebenswerten Ausdruck für eine fette Frau. Aber wenn der nette, fachlich kompetente Teddybär beim Einstellungsgespräch erzählt, übrigens hätte er vor einigen Jahren eine ernsthafte Depression gehabt, dann ist die Schlacht verloren. Niemand will einen psychisch instabilen Mann einstellen. Er muss es für den Rest seines Lebens leugnen.« Dan zeichnete eine Weile Muster in die Brotkrümel, die noch auf dem Tisch lagen. »Deshalb stört es mich, dass Kurt Bescheid weiß; ich wünschte, ich hätte es niemandem von diesen Klatschbasen in der Agentur erzählt. Ich hätte sagen sollen, dass ich Leukämie oder Meningitis oder so etwas habe.«
    »So etwas darfst du nicht sagen, toi, toi, toi!« Marianne klopfte unter den Tisch. »Ich glaube, du übertreibst«, fügte sie dann hinzu. »Hast du mit der Psychiaterin darüber

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