Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
Bezeichnung musste er immer denken, wenn er Henriette Kurt sah. Sie war so mager, dass ihr Gebiss die gesamte untere Gesichtshälfte zusammenhielt. Wenn er ehrlich sein sollte, dann begriff er nicht, wie jemand diese Frau anziehend finden konnte.
Elisabeth sah ihn noch immer an: »Wie kommst du bloß auf diese Idee?«
»Kurt wusste, dass Lilliana aus Estland stammte. Das weiß sonst niemand«, sagte Dan und trank den Rest seiner Limonade. Sie schmeckte, als wäre sie zehn Jahre alt; vor allem, da sie inzwischen nicht mehr wirklich kalt war.
»Ich wusste es«, behauptete Elisabeth. Rund um ihre Augenwinkel zeigten sich zwei Fächer aus Lachfältchen. »Und ich hätte es ihm durchaus erzählen können.«
»Wenn du und Kurt es wusstet, wieso weiß es dann nicht die Polizei?« Dan schüttelte den Kopf. »Warum weiß es ihr eigener Arbeitgeber nicht?«
»Ist das so?«, fragte Elisabeth, wobei ihr Blick Anders K. folgte. Er war aufgestanden und gab Dan ein Zeichen, ihm zu folgen.
»Die Schrubberkompanie bestreitet, sie überhaupt angestellt zu haben«, erwiderte Dan und erhob sich ebenfalls. »Die Polizei meint, die Inhaberin würde lügen. Sie wollen die Firma und ihre Buchhaltung heute Vormittag komplett auseinandernehmen.«
»Wen?« Die Fächer aus Lachfältchen waren verschwunden.
»Na ja, die Schrubberkompanie. Die Inhaberin betrügt offenbar in großem Stil. Finsen heißt sie.«
Plötzlich fiel Elisabeth etwas ein. »Ups! Einen Moment«, stieß sie aus und blätterte hektisch in ihrem Kalender. »Ich habe eigentlich überhaupt keine Zeit, mit dir zu plaudern, Dan. Das Sitzungszimmer muss in zehn Minuten vorbereitet sein.« Sie nahm Sebastian Kurts Terminkalender zur Hand. »Willst du einen Termin in ein paar Wochen?«
Dan verabredete einen Termin, doch Elisabeth hatte nicht einmal einen Abschiedsblick für ihn. Sie war plötzlich vollkommen von der Aufgabe absorbiert, die sie angeblich vergessen hatte.
»Verdammt, du bist aber auch ein Riesenidiot!«, erklärte Anders K. leise, als sie sich außerhalb von Elisabeths Hörweite befanden.
»Was meinst du?«
»Weißt du denn nicht, dass die Inhaberin der Schrubberkompanie Elisabeths jüngere Schwester ist?«
Dan blieb abrupt stehen. »Was ist sie?«
»Merethe Finsen ist Elisabeth Lunds Schwester. Deshalb wurde ihre Firma doch angeheuert, um hier sauber zu machen. Ich dachte, das wüssten alle.«
Fünf Minuten später hatte Dan den Ermittlungsleiter am Handy: »Störe ich?«
»Wir sind gerade im Auto auf dem Weg zu Merethe Finsen«, antwortete Flemming. »Claus Bosse sitzt neben mir. Soll ich den Lautsprecher anstellen?«
»Mach das«, sagte Dan. Er hatte sich an eine windgeschützte Stelle an der Ostseite des Gebäudes gestellt. »Ich habe zwei Dinge, die ihr wissen solltet.« Er wiederholte Sebastian Kurts Versprecher über Lillianas Nationalität.
»Wieso hat er uns das nicht erzählt?«
»Eben. Das ist schon eigenartig. Ich bin nicht sicher, dass er der Liebhaber ist, nach dem wir Ausschau halten, aber er ist ein guter Kandidat, finde ich.« Dans Augen tränten. Verflucht, es war kalt geworden! »Die andere Sache ist, Elisabeth Lund und Merethe Finsen sind Schwestern.«
»Was!?« Flemming schrie auf, dass Dans Trommelfell schmerzte. »Verdammt, warum weiß ich nichts davon?«
»Wahrscheinlich, weil du nicht gefragt hast. Aber nun weißt du es ja.«
»Nein, ich laufe nicht rum und frage zufällige Menschen, ob sie zufällig mit anderen zufälligen Menschen verwandt sind. Woher weißt du das?«
»Ich habe es gerade eben erfahren.«
»In welchem Zusammenhang?«
»Elisabeth Lund redete über die Schrubberkompanie, und …« Dans Brustkasten schnürte sich zusammen. Plötzlich wurde ihm klar, dass er sich vollkommen schwachsinnig verhalten hatte. Er brachte keinen Ton mehr heraus.
»Dan?« Flemmings Stimme war scharf.
»Ich … äh …«
»Du hast ihr doch nicht erzählt, dass wir auf dem Weg zu Merethe Finsen sind, oder?«
»Na ja, nicht so, dass … dass es im Moment, aber …«
»Verflucht noch mal! Bosse, ruf sofort die Polizei in Frederiksberg an, die sollen einen Streifenwagen zu ihrer Wohnung schicken! Vielleicht ist sie noch nicht abgehauen.«
Dan sagte kein Wort und hörte, wie die beiden Kriminalbeamten Hilfe anforderten und diesen Clown von einem Amateurdetektiv verfluchten. Er wusste nicht so genau, ob sie die Vorstellung seinetwegen aufführten oder ob sie schlichtweg vergessen hatten, dass er alles mithören konnte,
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