Die guten Frauen von Christianssund: Sommerdahls erster Fall (German Edition)
nicht was mit Schwimmen und In-die-Sauna-Gehen zu tun? Ist da drin wirklich Platz genug?«
Henriettes Lächeln wurde noch breiter. »Massage, Gesichtsbehandlungen, Schlammpackungen, so etwas. Außerdem machen sie die besten Power-Smoothies. Du solltest es Marianne erzählen. Sie wäre begeistert!«
»Ja, das mag sein.« Vermutlich würde Marianne sich totlachen, wenn er ihr so etwas vorschlüge. Sie war viel zu ungeduldig, um so lange still zu sitzen. Aber das ging Henriette schließlich nichts an. »Ist es nicht eigenartig, dass es überhaupt kein Schild gibt? Ich meine, so wissen die Leute doch überhaupt nicht, was sich da drin abspielt. Muss doch schwer sein, dann neue Kunden zu finden?«
»Sie sind überhaupt nicht darauf aus, Kunden von der Straße zu bekommen, Dan.« Henriette lächelte noch immer. »Sie sind ausschließlich an einer Klientel interessiert, die Bescheid weiß, das läuft alles über Mundpropaganda, wenn du verstehst, was ich meine.«
Aber ja, Dan verstand ausgezeichnet. Marketing und Branding war trotz allem noch immer sein Fachgebiet. Trotzdem empfand er einen gewissen Ekel bei dem snobistischen Gedanken hinter dieser Geschäftsidee. Er sollte besser das Thema wechseln. Wie so oft.
»Furchtbar, was in der Agentur passiert ist, oder? Ist Kurt nicht völlig fertig?«
»Doch, schon«, sagte sie und stellte das Lächeln ab. Sie schaute Dan mit ihren klaren blauen Augen an und stieß einen Seufzer aus. »Gestern hatten wir Besuch von der Polizei.«
»Ach?«
»Ich sollte Kurts Alibi bestätigen. Das war zum Glück nicht schwer. Wir waren alle den ganzen Abend zu Hause.«
»Ich kann mir kaum vorstellen, dass ihn jemand ernsthaft in Verdacht hat«, sagte Dan. »Wieso sollte er die Putzfrau seiner Firma umbringen?«
»Nicht wahr?«
»Andererseits muss es ja irgendwer getan haben. Aber warum nur?«
»Kurt glaubt, dass es ein Einbrecher gewesen ist.«
»Es ist doch nichts gestohlen worden?«
»Nein, aber vielleicht wurde er gestört. Jedenfalls ist das alles furchtbar.« Henriette griff nach ihrer Korbtasche, die sie auf dem Bürgersteig abgestellt hatte, bevor sie mit ihrer einstudierten Küsserei begann. »Ich hoffe nur, dass sie den Täter bald finden.«
»Wusstest du, dass Lillianas Freundin auch verschwunden ist?«, fragte Dan. Er wollte sein Insiderwissen, dass die junge Frau tot war, nicht verraten. Unbedachtes Gerede hatte ihm schon genug Ärger eingebracht. »Eine Frau namens Sally?«
»Ja, ich hab’s im
Venstrebladet
gelesen.« Henriette ging einen Schritt auf ihn zu und reckte den Kopf zum Abschiedskuss-Ritual. Glücklicherweise gelang es Dan, ihre Hand zu greifen und in einer bequemen Körperdistanz fest zu schütteln.
»Wir sehen uns, Henriette«, verabschiedete er sich.
»Bestimmt. Grüß Marianne.« Henriette winkte über die Schulter und verschwand in Richtung Algade. Dan stöhnte erleichtert auf.
Fünf Minuten später standen er und Luffe vor dem Ärztehaus Christianssund. Marianne sah sie durchs Fenster am Empfang und kam in einer Woge aus bunten Wollschals und dem etwas altbackenen Rosenparfüm, auf das sie schwor, herausgelaufen. Sie schlang die Arme um Dans Hals und küsste ihn. »Lieb von dir, dass du kommen konntest.«
»Es klang, als wär es wichtig«, erwiderte er und legte ihr den Arm um die Schulter. Sie fanden zu einem gleichmäßigen Schritttempo. Er verkürzte seine Schritte ein wenig, während sie versuchte, ihre Beine ein bisschen länger werden zu lassen, als sie es waren. »Und ich muss dir etwas zeigen.«
Sie setzten sich an ihren gewohnten Fenstertisch im Hotel Marina. Bei dem Oberkellner handelte es sich um einen sanften und toleranten Mann, der im Privatleben selbst einen Hund besaß und bereitwillig die Regeln für Hunde umging, wenn sich nicht allzu viele Gäste im Restaurant aufhielten. Er stellte eine große Schale Wasser unter den Tisch, damit auch Luffe einen Drink bekam.
Dan bestellte Hacksteak mit Spiegelei für beide. Und ein kaltes Bier vom Fass, danke.
»Du zuerst«, sagte Dan dann.
»Nein, ich möchte zuerst etwas essen«, erwiderte Marianne und versuchte vergeblich, eine Haarsträhne zu bändigen. »Ich habe das ernst gemeint, was ich vorhin sagte«, fügte sie hinzu. »Ich finde wirklich, es ist lieb von dir. Ich hätte nie gedacht, dass du es so einfach hinnimmst, wenn ich das Haus mit kettenrauchenden und sozial auffälligen Patienten bestücke.«
»Das fehlte noch«, entgegnete er.
»Nein, wirklich«, wiederholte sie.
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