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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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immer, wenn er eine Entscheidung getroffen hatte. »Lasst das Lager aufschlagen«, befahl er. »Morgen früh brechen wir im ersten Licht auf; sorgt dafür, dass dann alle bereit sind.«
    »Wie Ihr es wünscht, Herr«, erwiderte Grom mit einem Nicken und ritt davon. Während Tertujak sich wieder in seinen geräumigen Wagen zurückzog, hörte er ihn noch mit seinem Signalhorn Befehle blasen.
    Das Aufschlagen des Lagers vollzog sich wie jeden Abend, und jeder, der dem Tross des Händlers angehörte, wusste genau, was er zu tun hatte. Rings um den Wagen des Händlers und den gepanzerten Haarteppichwagen formierte sich eine Wagenburg, wobei die Handelswagen einen inneren und die Versorgungswagen den äußeren Kreis bildeten. In dem Areal zwischen dem inneren und dem äußeren Ring wurden die Zelte aufgeschlagen, in denen die Reitsoldaten ihr Nachtlager fanden. Die Zugtiere, Baraq-Büffel zumeist, wurden ausgespannt und mit langen Leinen angebunden, sodass sie sich hinlegen konnten. Die Reittiere wurden zusammengetrieben; sie schliefen im Stehen. Lediglich die Fußsoldaten, die den ganzen Tag über auf irgendwelchen Wagen gelegen und unter Schutzplanen die Zeit verdöst hatten, mussten jetzt wach werden; ihre Aufgabe war es, die ganze Nacht über rings um das Lager Wache zu stehen.
    Der Leibkoch des Händlers rollte seine kleine Garküche neben den großen, reich verzierten Händlerwagen. Tertujak hatte den Schlag seines Wagens geöffnet und stand abwartend in der Öffnung.
    »Herr, es ist noch von dem eingesalzenen Baraqfleisch da«, begann der Koch eifrig. »Ich könnte euch Karaqui anbraten und einen Salat aus einer Bleichmondstaude bereiten, dazu einen dünnen Wein …«
    »Ja, ist recht«, brummte Tertujak.
    Während der Koch mit seinen Töpfen hantierte, sah Tertujak sich suchend um und versuchte zu ergründen, woher die innere Unruhe kam, die ihn heute Abend erfüllte. Es dämmerte bereits; der Faustfelsen hoch über ihnen war nur mehr eine Silhouette gegen den dunkelsilbernen Himmel, der dicht über dem Horizont noch hell schimmerte und im Zenit schon schwarz war. Tertujak hörte die Stimmen der Männer, die die letzten Zelte aufbauten. Anderswo wurden bereits die Feuer angezündet. Es gab nur wenige Feuerstellen – sie mussten sparsam mit ihrem Brennmaterial umgehen -, gerade genug, um das Essen für die Leute des Zuges zu kochen. Es herrschte eine heitere, ausgelassene Stimmung. Die Strapazen des Tages waren vorüber, morgen würden sie über den Faustfelsensattel ziehen, und dann waren es nur noch wenige Tagesreisen bis zur Hafenstadt.
    Drei Fußsoldaten tauchten aus der Dämmerung auf; einer von ihnen trat ehrerbietig auf den Händler zu und meldete, dass die Nachtwachen auf ihren Posten standen.
    »Wer ist der Wachhabende?«, fragte Tertujak. Die Aufgabe des Wachhabenden war, die ganze Nacht hindurch die Kette der Posten abzuschreiten und dafür zu sorgen, dass keiner der Soldaten einschlief.
    »Donto, Herr.«
    »Sag ihm, er soll heute besonders gut aufpassen«, sagte Tertujak und fügte etwas leiser hinzu: »Ich habe heute Abend ein ungutes Gefühl …«
    »Wie Ihr befehlt, Herr.« Der Soldat verschwand wieder, und die beiden anderen bezogen Posten neben dem Händlerwagen.
    Tertujak musterte den Wagen, der hinter seinem Wohnwagen stand, doppelt so groß wie dieser, mit acht Rädern und mit Geschirr für vierundsiebzig Baraqs ausgestattet: der Haarteppichwagen. Er enthielt die größten Kostbarkeiten, die diese Karawane transportierte, die Haarteppiche, und dazu unermessliche Mengen an Geld. Selbst im sterbenden Licht der Abenddämmerung konnte man die Stellen erkennen, an denen die metallene Panzerung anfing zu rosten. Er würde den Wagen ausbessern lassen müssen, wenn sie in der Hafenstadt die Haarteppiche verschifft und abgerechnet hatten.
    Er ging zurück in seinen Wagen, ließ sich das Essen auftragen und aß schweigend und nachdenklich.
    Sie hatten es geschafft, genügend Haarteppiche zu kaufen, aber sie hatten länger dazu gebraucht, als er geplant hatte. Das hieß, sie würden später in der Hafenstadt ankommen als die anderen Händler, und dann würde er wieder nur eine der unattraktiveren Routen bekommen. Und dann würde es noch schwerer werden, auf die vorgeschriebene Zahl zu kommen, und irgendwann …
    Er wollte nicht an dieses Irgendwann denken.
    Mit einer abrupten Bewegung schob er den Teller von sich. Er befahl dem Koch abzuräumen und ließ sich noch eine Flasche des dünnen Weines

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