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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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zuvorkommen, schrieb er einen entsprechenden Text an den unteren Rand der Steuerurkunde, tropfte Siegelwachs daneben und presste sein Petschaft darauf.

Die Haarteppichräuber
    Der gewaltige Tross des Händlers Tertujak wälzte sich mit seinen Wagen und Zeltkarren und berittenen Soldaten langsam über die weite Tiefebene, auf das riesige Zarrak-Felsmassiv zu, das sich endlos von Horizont zu Horizont erstreckte wie eine dunkle, unüberwindliche Wand.
    Tertujak, der in seinem Wagen über den Büchern saß, spürte einen deutlichen Übergang, als die Räder des Händlerwagens aufhörten, über harten Fels und Geröll zu rumpeln und jede Vertiefung und jeden Felsbrocken auf dem Weg als harten, fast schmerzhaften Schlag an ihn weiterzugeben, und anfingen, sich durch nachgiebigen Sand zu mahlen. Er hatte diese Route oft genug in seinem Leben bereist, um ohne einen Blick aus dem Fenster zu wissen, dass der Aufstieg zum einzigen Übergang über das Zarrak-Massiv begonnen hatte, dem Pass am Fuß des Faustfelsens.
    Nach kurzem Nachdenken entschied er, dass es an der Zeit war, wieder einmal nach dem Rechten zu sehen. Er wuchtete seinen massigen Körper aus den Polstern und öffnete die schmale Tür, die auf eine kleine Stehplattform neben dem Kutschbock hinausführte. Für die beträchtliche Körperfülle des Händlers war sie beinahe zu schmal, aber Tertujak quetschte sich hindurch, griff nach dem dafür vorgesehenen Haltebügel und nickte seinem Kutscher kurz zu, ehe er sich umsah.
    Bestimmt würde er wieder allerhand entdecken, das ihm nicht gefiel. Seine Leute waren manchmal wie Kinder; unentwegt musste man auf der Hut sein, durfte ihnen keine ihrer zahllosen Nachlässigkeiten durchgehen lassen, sonst entstanden Gewohnheiten daraus, die gefährlich werden konnten. Der Zug streckte sich zum Beispiel schon wieder viel zu lang hin; die Versorgungswagen fuhren, anstatt sich rings um den Haarteppichwagen zu scharen, ihm in einer langen, schiefen Kette hinterher. Schuld daran waren wie immer die Marketender, die nur zu gerne ans Ende des Trecks zurückfielen, um ungestört ihre zwielichtigen kleinen Geschäfte mit den Soldaten machen zu können und um zu demonstrieren, dass sie nicht der Befehlsgewalt des Händlers unterstanden.
    Tertujak schnaubte missbilligend durch die Nase, während er überlegte, ob es geboten war einzugreifen. Er ließ seinen Blick über die lang gezogene Zarrak-Gebirgskette wandern, die sich vor ihnen auftürmte. Genau in ihrer Fahrtrichtung lag der Faustfelsen, hoch aufragend, schwarz und karstig, beinahe bedrohlich. Er hieß so auf Grund seiner Gestalt: fünf tiefe Schrunden, die von einem unzugänglichen Hochplateau aus in die Tiefe führten, und ein seitliches Gesims ließen ihn wie die Faust eines Giganten aussehen, die den einzigen Pass durch das Massiv zu bewachen schien. Sie würden neben dem angewinkelten Daumen der Faust über den Bergsattel ziehen, und von dort oben würden sie zum ersten Mal nach Jahren wieder einen Blick auf die Hafenstadt werfen können, das Ziel ihrer Reise.
    Der Gefangene fiel ihm wieder ein. Kein Tag verging, ohne dass er über diesen seltsamen Mann nachdenken musste, den man ihm in Yahannochia überantwortet hatte. Natürlich war er nicht begeistert gewesen über die zusätzliche Last, aber er hatte ihn auch nicht ablehnen können. Jetzt saß der Gefangene vorne auf einem der Handelswagen zwischen zwei großen Ballen Stoff, gefesselt und von Soldaten bewacht, die den strikten Befehl hatten, nicht mit ihm zu reden und ihn, wenn er etwas sagen sollte, zum Schweigen zu bringen. Der Gefangene galt als Ketzer, und was immer er sagte, es mochte geeignet sein, das Herz eines frommen Menschen zu verderben.
    Was hatte es wohl auf sich mit diesem Mann, dass er vor den Rat der Hafenstadt gebracht werden musste? Das würden sie wahrscheinlich niemals erfahren.
    Tertujak suchte den Blick seines Reiterkommandanten und winkte ihn mit einer kurzen Geste zu sich her.
    »Was sagen deine Kundschafter?«
    »Ich hätte euch in Kürze deswegen angesprochen, Herr«, sagte der Kommandant, ein drahtiger, grauhaariger Mann namens Grom, der sein Reittier mit leichten, beinahe tänzelnden Schritten neben dem Händlerwagen hertraben ließ. »Der Aufstieg ist diesmal sehr sandig; ich glaube nicht, dass wir es vor Einbruch der Dunkelheit auch nur bis zum Pass schaffen, geschweige denn darüber hinaus.«
    Das stimmte mit Tertujaks Einschätzung überein. Er schob seinen Unterkiefer etwas nach vorn, wie

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