Die Haarteppichknüpfer - Roman
in einem Fall sogar eine Rückerstattung an eine Frau, deren Mann gestorben war. Es sollte keiner sagen, die Steuererheber seien Unmenschen. Er tat einfach seine Pflicht, nichts weiter – seine heilige Pflicht, in den Diensten des Kaisers.
Es war spätabends, als er im Schein einer Tranlampe die letzte Eintragung vornahm und den letzten Mann entließ. Zufrieden sah er auf seine zweite Liste, die fünf neue Namen enthielt. Er würde nicht länger als den morgigen Tag für die Stichproben brauchen, und dann hieß es nur noch, alle Zahlen zusammenzuzählen.
Gerade als er das Buch zugeschlagen hatte, kam der Stadtobere wieder heran in seinem unordentlichen Prunkmantel. »Wenn ich noch einmal daran erinnern dürfte, dass wir diesen Frevler im Verlies haben und …«
»Zuerst die Steuern«, beschied Kremman ihn müde und stand auf. »Zuerst die Steuern, und dann alles Weitere.«
»Selbstverständlich«, nickte der alte Mann unterwürfig. »Wie Ihr meint.«
Er betrat das erste Haus ohne jede Voranmeldung. Für Stichproben war es wichtig, ohne Voranmeldung zu erscheinen, obwohl er sich in dieser Hinsicht keinen Illusionen hingab: Sein Weg durch die Gassen Yahannochias war von vielen Augen heimlich verfolgt worden, und alles, was er tat, wurde sofort flüsternd weitergetragen.
Aber diese beiden hatte er tatsächlich überrascht. Sie sprangen erschrocken auf, als er durch die Tür trat; die Frau verbarg ihr Gesicht und verschwand in ein anderes Zimmer, und der Mann baute sich wie zufällig so vor dem Steuererheber auf, dass diesem die Sicht auf die Frau genommen wurde. Kremman wusste, wieso: Eine schöne junge Frau im Haus, das veranlasste manchen Steuererheber, zunächst eine schmerzhaft hohe Abgabe zu schätzen – um dann anzubieten, die Abgabe niedriger festzusetzen für den Fall, dass die Frau ihm ihre Gunst schenkte. Kremman hatte das jedoch noch nie getan. Abgesehen davon hatten ihm die Stadtoberen Yahannochias in weiser Voraussicht letzte Nacht eine junge Frau zugeführt, eine sehr junge Frau – man kannte seine Vorlieben -, und er war in dieser Hinsicht zufrieden gestellt.
»Ich bin Kremman, Steuererheber des Kaisers«, erklärte er dem ebenso zornig wie ängstlich dreinblickenden jungen Mann. »Nach meinen Unterlagen habt ihr letztes Jahr geheiratet. Ich muss euch schätzen. Führe mich herum und zeige mir alles, was euch gehört.«
Die Frau war schon verschwunden, als sie ins Nebenzimmer traten. Der scharfe Blick des Steuererhebers fiel auf das Fenster, das nur angelehnt war. Kremman lächelte grimmig. Sie musste durch das Fenster geflüchtet sein.
Er öffnete Schränke, schaute in Krüge, fasste prüfend in das Stroh der Nachtlager und beklopfte Holzbalken und Wände. Wie er schon erwartet hatte, fand er nichts Besonderes. Schließlich trug er eine ihm angemessen erscheinende Schätzung in seine Liste ein.
Die Erleichterung des jungen Mannes war unverkennbar. »Ich gebe es für den Kaiser!«, stieß er hervor.
»Ich nehme es für den Kaiser«, erwiderte Kremman und ging.
Das Steuerhauptbuch war wieder versiegelt und in seinem Schrank eingeschlossen, die Abschrift der gültigen Steuerliste erstellt und im Änderungsbuch eingeheftet, und alles, was noch zu tun blieb, war, die Urkunde über die Erhebung zu erstellen.
Die Einziehung der Steuern besorgte die Stadt selbst, damit hatte er nichts zu tun. Seine Aufgabe war lediglich, die Höhe der Abgaben festzusetzen. Er hatte auch nichts mit dem Transport des Geldes zu tun; das würde der nächste Haarteppichhändler besorgen, der nach Yahannochia kam. Für ihn war auch die Urkunde bestimmt, denn er würde in der Hafenstadt Rechenschaft ablegen müssen über die Höhe der Beträge, die man ihm und seinem stählernen Wagen anvertraut hatte.
Die meisten Menschen glaubten, dass die Steuern an den Kaiser geschickt wurden, aber das stimmte nicht. Das Geld verließ den Planeten nie. Diese Welt entrichtete nur eine Art von Abgaben an den Hof des Kaisers, und das waren die Haarteppiche. Die Steuergelder wurden nur dazu verwendet, die Haarteppiche zu bezahlen.
Deshalb waren auch die Haarteppichhändler mit dem Transport der Steuergelder betraut; wenn sie schließlich die Hafenstadt erreichten, lieferten sie Haarteppiche ab, das restliche Geld und die Urkunden der Steuererheber. Diese Angaben wurden dann mit den Aufzeichnungen gegengerechnet, die die Gildemeister der Haarteppichknüpfer an die Hafenstadt schickten, und dann konnte festgestellt werden, ob ein
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