Die Haarteppichknüpfer - Roman
Haarteppichen?«, fragte die Blonde.
»Das ist ein weiterer entscheidender Punkt, den wir betonen müssen. Die gesamte Herstellung der Haarteppiche ist religiös motiviert. Und damit ist die alte Staatsreligion gemeint – der Kaiser als Gott, als Erschaffer und Erhalter des Universums und so weiter.«
» Der Kaiser?«
»Ja. Eindeutig. Sie haben sogar Fotos von ihm. Damit ist nebenbei bewiesen, dass der von Menschen bewohnte Teil der Galaxis Gheera tatsächlich einmal Teil des Kaiserreiches war. Der ganze religiöse und machtpolitische Überbau ist derselbe wie in den bekannten Teilen des Reiches, und die auf den Gheera-Welten verbreitete Sprache entspricht einem Dialekt unseres Paisi, wie er nach Aussage der Sprachwissenschaftler vor rund achtzigtausend Jahren gesprochen wurde.«
»Damit hätten wir einen Anhaltspunkt, wann der Kontakt zwischen Gheera und dem übrigen Reich abgerissen ist.«
»Genau. Übrigens finden sich auf vielen dieser Welten Spuren von lange zurückliegenden atomaren Explosionen – langlebige Zerfallsprodukte und so weiter –, die auf entsprechende kriegerische Auseinandersetzungen hindeuten. Datiert werden diese Spuren ebenfalls auf die Zeit vor mindestens achtzigtausend Jahren.«
»Das erhärtet die Theorie.«
»Aber was hat das nun mit den Haarteppichen zu tun?«, beharrte die blonde Frau.
»Die Haarteppichknüpfer fertigen diese Teppiche als Dienst am Kaiser. Sie glauben, dass die Teppiche für den Palast des Kaisers bestimmt sind.«
Verdutztes Schweigen. »Für den Palast des Kaisers?«
»Ja.«
»Aber es gibt nichts im Palast, das man für einen Haarteppich halten könnte.«
»Eben. Das ist ja das Rätselhafte.«
»Aber …« Die blonde Frau fing an zu rechnen. »Das müssen doch ganz schön viele Teppiche sein, die da zusammenkommen. Eine ganze Welt, Einwohnerzahl schätzungsweise …«
»Es sind Unmengen«, versetzte der Mann. »Spar dir die Mühe, es kommt noch besser. Die Leute auf G-101/2 glauben, dass nur sie Haarteppiche herstellen. Sie wissen, dass das Reich des Kaisers viele Welten umfasst, aber sie glauben, dass die anderen Welten andere Dinge für den Palast des Kaisers liefern. Eine Art interplanetarische Aufgabenteilung.« Er betrachtete angelegentlich seine Fingernägel. »Nun, kurz darauf entdeckte die Gheera-Expedition eine zweite Welt, auf der die Leute ebenfalls Haarteppiche herstellen und ebenfalls von sich glauben, sie seien die Einzigen.«
» Zwei Welten?«, staunten die Frauen.
Der Mann sah von einer zur anderen und genoss sichtlich die erwartungsvolle Spannung in ihren Gesichtern. »Aus dem letzten Bericht der Expedition geht hervor«, fuhr er fort, jedes Wort auskostend, »dass man bis jetzt achttausenddreihundertsiebenundvierzig Planeten gefunden hat, auf denen Haarteppiche geknüpft werden.«
»Achttausend …?!«
»Und ein Ende ist nicht abzusehen.« Der Mann schlug mit der flachen Hand knallend auf den Tisch. »Das ist der Punkt, den wir rüberbringen müssen. Irgendetwas geht da vor sich, und wir wissen nicht, was.«
Ich weiß es, dachte Emparak voller Genugtuung. Auch das Archiv weiß es. Und wenn du zu suchen verstündest, könntest auch du es wissen …
Die blonde Frau sprang auf und kam auf Emparak zu, hielt dem buckligen Archivar ihre gewaltigen Brüste fast vor das Gesicht. »Emparak, wir haben jetzt zwei Hinweise«, sagte sie und sah ihn an. »Achtzigtausend Jahre. Galaxis Gheera. Können wir dazu etwas im Archiv finden?«
»Galaxis Gheera?«, krächzte Emparak. Sie hatte ihn erschreckt mit ihrer plötzlichen Annäherung, und die Nähe ihres verlockenden Körpers weckte vergessene Begierden in ihm, die ihn für einen Moment überwältigten und ihm die Sprache raubten.
»Lass ihn, Lamita!«, rief die rothaarige Hexe aus dem Hintergrund. »Das habe ich auch schon oft versucht. Er hat keine Ahnung, und das Archiv ist ein einziges Chaos, ohne jede Systematik.«
Die junge Frau zuckte die Schultern und kehrte zurück an ihren Platz. Emparak starrte die Rothaarige an, kochend vor Wut. Sie wagte es. Zu hunderten und tausenden versagten sie bei dem Versuch, das Erbe eines Mannes wie des Kaisers anzutreten, aber sie wagte es, das Archiv ein Chaos zu nennen. Wie nannte sie das, was dieser selbst ernannte Provisorische Rat da draußen anrichtete? Welches Wort hatte sie für die grenzenlose Orientierungslosigkeit der Menschen, deren Leben sie zerstört hatten, für den Verfall der Sitten, für die um sich greifende Verkommenheit? Wie wollte
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