Die Haarteppichknüpfer - Roman
sie das Ergebnis ihres endlosen Versagens bezeichnen?
»Was geschieht denn nun in Gheera konkret mit den Haarteppichen?«, fragte die Rothaarige. »Irgendwo müssen sie ja gestapelt werden.«
»Der Transport der Haarteppiche wird von einer großen Flotte zwar altersschwacher, aber durchweg befriedigend raumtüchtiger Schiffe bewerkstelligt«, berichtete der Mann. »Dafür ist eine eigene Kaste zuständig, die kaiserlichen Schiffer. Sie hüten wohl das technologische Erbe, während auf den Planeten selbst nur primitive postatomare Kulturen anzutreffen sind.«
»Und wohin transportieren sie die Teppiche?«
»Die Expedition konnte ihnen zu einer gigantischen Raumstation folgen, die ein planetenloses Doppelgestirn umkreist. Bei einem der beiden Sterne handelt es sich übrigens um ein schwarzes Loch. Ich weiß nicht, ob das etwas zu sagen hat.«
»Was weiß man über diese Raumstation?«
»Nichts, außer dass sie extrem schwer bewacht und bewaffnet ist. Eines unserer Schiffe, der Leichte Kreuzer EVLUUT, wurde bei der Annäherung angegriffen und schwer beschädigt.«
Natürlich. Bis auf den heutigen Tag konnte Emparak nicht verstehen, wie die Rebellen, diese eingebildeten, naseweisen Schwächlinge, es geschafft hatten, den unsterblichen, allmächtigen Kaiser zu entmachten und das Reich an sich zu reißen. Die Rebellen konnten nicht kämpfen! Lügen, betrügen, sich verstecken und heimtückische Intrigen spinnen, das konnten sie, aber kämpfen? Es würde ihm bis ans Ende seines Lebens unbegreiflich bleiben, wie sie es geschafft hatten, die gewaltige, unbesiegbare militärische Maschinerie des Kaisers zu überwinden. Sie, deren es zehn und mehr gebraucht hätte, um einen einzigen kaiserlichen Soldaten aufzuwiegen.
»Gut.« Die Rothaarige klappte eine Mappe zu, um die Diskussion vorläufig zu beenden. »Wir sollten uns jetzt vorbereiten. Ich denke, wir stellen einen Projektor auf und halten die historischen Tafeln bereit, falls jemand nach geschichtlichen Zusammenhängen sucht.« Sie blickte in Richtung des alten Archivars. »Emparak, wir brauchen deine Hilfe!«
Er wusste, worin die Hilfe bestand. Er sollte das Projektorgerät holen und aufstellen. Nichts weiter. Dabei hätte er im Nu alle Fragen beantworten und alle Rätsel lösen können. Wenn sie nur etwas freundlicher zu ihm gewesen wären, etwas zuvorkommender, etwas anerkennender …
Aber er würde sich ihre Anerkennung nicht erkaufen. Sollten sie sich selbst abmühen. Der Kaiser hatte immer gewusst, was er tat; er würde auch hier seine Gründe gehabt haben, und es war nicht an ihm, diese in Frage zu stellen.
Emparak schlurfte aus dem Leseraum zurück in die Vorhalle und wandte sich nach rechts. Es hatte keine Eile. Im Gegensatz zu den drei jungen Leuten wusste er genau, was zu tun war.
Er stieg die breite Treppe hinab, die in die unterirdischen Bereiche des Archivs führte. Hier war das Licht gedämpft, und der Blick reichte nicht sehr weit. Sie hielten sich gerne oben auf, die jungen Frauen, zwischen den endlosen Regalen des Kuppelbaus. Hier unten hatte er sie nur selten gesehen. Wahrscheinlich war es ihnen hier unheimlich, und das konnte er sogar verstehen. Hier unten entkam man dem Atem der Geschichte nicht. Hier unten lagerten unglaubliche Artefakte, Zeugen unvorstellbarer Ereignisse, Dokumente von unschätzbarem Wert. Hier unten konnte man die Zeit mit Händen greifen.
Er schloss die Tür des kleinen Geräteraumes am Fuß der Treppe auf. Achtzigtausend Jahre. Das sagten sie so leicht daher, diese Ahnungslosen, als sei es gar nichts. Sie sagten es, ohne dass Ehrfurcht sie überkam, ohne ein Grauen zu spüren angesichts dieses Abgrundes an Zeit. Achtzigtausend Jahre. Das war eine Spanne, in der gewaltige Reiche entstehen und wieder zerfallen und in Vergessenheit geraten konnten. Wie viele Generationen kamen und gingen in dieser Zeit, lebten ihr Leben, hofften und litten, vollbrachten Dinge, die dann wieder untergingen im erbarmungslosen Mahlstrom der Zeit! Achtzigtausend Jahre. Das sagten sie in dem gleichen Tonfall, als sprächen sie von achtzig Minuten.
Und doch war es nur ein Teil der unermesslichen Geschichte des Kaiserreiches. Emparak nickte versonnen vor sich hin, während er den Projektionsapparat die Treppe hochschleppte. Vielleicht sollte er ihnen doch einen kleinen Hinweis geben. Nicht viel, nur einen winzigen Fetzen. Eine Spur. Nur, um zu zeigen, dass er mehr wusste, als sie glaubten. Nur, damit sie etwas ahnen konnten von der Größe
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