Die Haarteppichknüpfer - Roman
dieses Mannes, den sie erschossen hatten wie einen Lump. Niemals hätte das mächtige Reich so lange bestehen können ohne diesen Mann, ohne den elften Kaiser, der die Unsterblichkeit erlangt hatte. Ja, dachte Emparak. Nur eine Spur, damit sie den Rest selber finden konnten. Mehr als das würden sie nicht akzeptieren können in ihrem närrischen Stolz.
»Er muss jeden Augenblick kommen«, sagte die Rothaarige, die jetzt unaufhörlich auf ihre Uhr sah, während die anderen die Papiere ordneten. »Wie müssen wir ihn eigentlich anreden?«
»Sein Titel ist Ratsmitglied«, sagte die blonde Frau.
Emparak stellte den Projektor auf den Tisch und entfernte die Abdeckung.
»Er liebt Titel nicht«, warf der Mann ein. »Ihm ist es am liebsten, man redet ihn mit seinem Namen an, Jubad.«
Beim Klang dieses Namens war es Emparak, als gefröre er bis in seine Fingerspitzen zu Eis. Berenko Kebar Jubad! Der Mann, der den Kaiser getötet hatte!
Er wagte es. Der Mörder des Kaisers wagte sich an die Stätte, die den Ruhm des Reiches konservierte. Ein Affront. Nein, schlimmer noch: eine Gedankenlosigkeit. Dieser gewöhnliche, engstirnige Mensch war überhaupt nicht in der Lage, die Bedeutung seines Tuns, die Symbolik dieses Besuches zu erfassen. Er kam einfach hierher, um sich einen kleinen, dummen Bericht aus dem Mund von kleinen, dummen Menschen anzuhören.
Sollte er. Er, Emparak, würde dabeistehen und schweigen. Er war der Archivar des Kaisers gewesen, und das würde er bleiben bis zu seinem letzten Atemzug. Er schämte sich, dass er schon beinahe beschlossen hatte, diesen großmäuligen Emporkömmlingen in die Hände zu arbeiten. Niemals. Niemals mehr. Er würde schweigen, schweigen und den jahrtausendealten Marmor polieren, bis ihm eines Tages das Poliertuch aus der Hand fiel.
Die Rothaarige ging zum Schaltkasten in der Vorhalle und ließ einen der Torflügel auffahren. Einen nur. Emparak nickte befriedigt. Sie verstanden nichts von Stil, von Auftritt. Sie hatten keine Größe.
Der ganze Empfang des Rebellenführers wirkte auf Emparak wie eine lächerliche Imitation. Ein kleiner Wagen fuhr vor, und Jubad stieg aus, ein untersetzter, grauhaariger Mann, dessen Bewegungen fahrig und nervös wirkten und der leicht gebeugt ging, als erdrücke ihn die Last seiner Verantwortung. Wie ein zappeliger Hampelmann hastete er die Treppenstufen herauf, und ohne auf die prachtvolle Atmosphäre der Vorhalle zu achten schoss er sofort auf die Rothaarige zu, um sich von ihr in den Lesesaal führen zu lassen.
Emparak nahm seinen gewohnten Platz bei den Säulen ein und beobachtete Jubad, während dieser sich den Bericht der drei anderen anhörte. Es hieß, er leide an einer langwierigen, vielleicht unheilbaren Krankheit. Emparak war geneigt, das zu glauben, wenn er den von unterdrückten Schmerzen gezeichneten Gesichtsausdruck des Rebellenführers ansah. Es mochte Zufall sein. Vielleicht war es aber auch die Strafe des Schicksals.
»Über den endgültigen Verbleib der Haarteppiche ist also nichts bekannt?«, schlussfolgerte Jubad am Ende des Referats.
»Nein.«
»Im Inneren der Raumstation?«
»Dazu ist sie nicht groß genug«, entgegnete der Mann. »Man braucht nur das Volumen der insgesamt hergestellten Haarteppiche abzuschätzen und mit dem Volumen der Raumstation zu vergleichen – es ist um ein Vielfaches größer.«
»Vielleicht wurden die Haarteppiche überhaupt nicht aufbewahrt«, warf die blonde Frau ein. »Vielleicht werden sie vernichtet.«
»Mag sein«, sagte Jubad beiläufig. Man sah ihm an, dass ihn ganz andere Gedanken beschäftigten. »Das Schreckensbild, das mich bedrängt, ist das, dass irgendwo im Universum noch ein unentdeckter Palast des Kaisers existieren könnte, in dem sich mittlerweile die Haarteppiche zu Bergen türmen. Und wenn es einen unentdeckten Palast gibt, wer weiß, was es dort noch gibt – vielleicht unentdeckte Armeen, die seit Jahrtausenden im Tiefschlaf liegen?«
Die Rothaarige nickte. »Vielleicht einen Klon des Kaisers, der ebenfalls unsterblich ist?«
»Genau«, pflichtete Jubad ihr ernst bei. »Wir wissen nicht, wie der Kaiser es bewerkstelligt hat, nicht zu altern und diese unermessliche Zeitspanne zu leben und zu leben. Wir wissen so vieles nicht, und an manchen ungeklärten Geheimnissen müssen wir ein mehr als akademisches Interesse haben, denn sie könnten Gefahren bergen.«
Emparak musste widerwillig zugeben, dass dieser Jubad über einen erstaunlich wachen Verstand verfügte. Etwas
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