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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Impuls, um sich zu schlagen, die übermannshoch aufgehäuften Haarteppiche umzustoßen, den Gildeoberen zu verprügeln. Wahnsinn, alles Wahnsinn. Sie hatten gekämpft und gesiegt, hatten alles zerschlagen, was zu zerschlagen war vom Reich des Kaisers, und trotzdem war kein Ende, ging es immer weiter und weiter. Bei jedem Schritt, den er tat, wurde irgendwo in dieser Galaxis ein Haarteppich vom Rahmen geschnitten, immer noch. Bei jedem Atemzug, den er tat, wurde, weil ein Haarteppichknüpfer nur einen einzigen Sohn haben durfte, irgendwo ein männliches Neugeborenes getötet, auf irgendeinem der zahllosen Planeten, auf denen sie noch nicht gewesen waren, oder auch auf einem der Planeten, die sie besucht hatten, ohne dass man ihnen geglaubt hätte. Es schien unmöglich, die Flut der Haarteppiche zu stoppen.
    Je weiter sie vorankamen, desto durchdringender wurde der Geruch, der von den Haarteppichen ausging: ein schwerer, ranziger Geruch, der an verdorbenes Fett denken ließ und an gärende Abfälle. Wasra wusste, dass es nicht die Haare waren, die so stanken, sondern die Imprägnierungsmittel, mit denen die Haarteppichknüpfer die Teppiche für eine erstaunlich lange Zeit haltbar machten.
    Endlich erreichten sie eine weitere düstere Öffnung in der Mauer. Eine kurze Treppe führte aufwärts. Lenteiman bedeutete ihnen, sich leise zu verhalten, und ging voraus, ehrfürchtig, als beträte er heiligen Boden.
    Der Raum, in den er sie führte, war groß und dunkel, erhellt nur von dem roten Glutlicht eines Feuers, das in der Mitte des Raumes in einer metallenen Schale brannte. Die niedrige Decke zwang sie dazu, mit demütig gesenkten Köpfen zu stehen, während die erdrückende Hitze und der beißende Rauch ihnen den Schweiß auf die Stirn trieben. Wasra tastete nervös nach der Waffe an seinem Gürtel, nur um zu spüren, dass sie da war.
    Lenteiman verbeugte sich in Richtung auf das müde glühende Feuer. »Ehrwürdiger. Es ist Lenteiman, der Euch grüßt. Ich bringe Euch den Kommandanten der kaiserlichen Schiffer, der Euch zu sprechen wünscht.«
    Ein Rascheln und eine undeutliche Bewegung in der Nähe des Feuers war die Reaktion. Erst jetzt erkannte Wasra eine Art Liege, die neben dem metallenen Feuergestell stand, einer Kinderwiege nicht unähnlich, und zwischen Decken und Fellen kam der Schädel und der rechte Arm eines uralten Mannes zum Vorschein. Als er die Augen öffnete, sah Wasra die Pupillen blind und silbern im Widerschein der Glut glänzen.
    »Welch seltene Ehre …«, flüsterte der Alte. Seine Stimme klang dünn und entrückt, als spräche er aus einer anderen Welt zu ihnen. »Ich grüße Euch, Schiffer des Kaisers. Mein Name ist Ouam. Wir haben lange auf Euch gewartet.«
    Wasra wechselte einen unruhigen Blick mit Stribat. Er entschied, dass er keine Zeit damit verschwenden wollte, den Gildeältesten darüber aufzuklären, dass sie mitnichten Schiffer des Kaisers, sondern Rebellen waren. Jedenfalls nicht, solange sie ihren Auftrag nicht erfüllt hatten. Er räusperte sich.
    »Seid gegrüßt, Ehrwürdiger Ouam. Mein Name ist Wasra. Ich bat darum, Euch zu sprechen, weil ich eine wichtige Frage habe.«
    Ouam schien mehr dem Klang der fremden Stimme nachzulauschen als der Bedeutung der Worte. »Fragt.«
    »Ich suche einen Mann namens Nillian. Ich möchte von Euch wissen, ob ein Mann dieses Namens in den letzten drei Jahren wegen Ketzerei angeklagt oder hingerichtet wurde.«
    »Nillian?« Der Gildeälteste wiegte nachdenklich seinen vertrockneten Schädel. »Da muss ich in den Büchern nachsehen. Dinio?«
    Wasra wollte sich gerade fragen, wie dieser blinde alte Mann es anstellen wollte, in irgendwelchen Büchern nachzusehen, als aus dem Schatten der Liege ein weiteres Gesicht zum Vorschein kam. Es war das Gesicht eines Jungen, der die Besucher kühl und abweisend musterte, ehe er sich zu dem Alten hinabbeugte, um sich etwas ins Ohr flüstern zu lassen. Er nickte beflissen, fast hündisch, und sprang auf, um irgendwo im Hintergrund des Raumes durch eine Tür zu verschwinden.
    Gleich darauf kam er wieder zurück, einen dicken Folianten unter dem Arm, und hockte sich neben dem Feuergestell auf den Boden, um die Eintragungen zu studieren. Er brauchte nicht lange. Wieder beugte er sich über die Liege und flüsterte mit dem alten Mann. Ouam lächelte ein gespenstisches Totenkopflächeln.
    »Wir haben diesen Namen nicht verzeichnet«, erklärte er dann.
    »Sein voller Name ist Nillian Jegetar Cuain«, sagte Wasra.

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