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Die Haarteppichknüpfer - Roman

Die Haarteppichknüpfer - Roman

Titel: Die Haarteppichknüpfer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Trauernden und bot den Rebellen das denkwürdige Schauspiel eines Mannes, der von einem Herzschlag zum nächsten von emsiger Geschäftigkeit in untröstlichen Kummer verfiel.
    Hastige, wilde Schritte auf der Treppe ließen Wasra erschrocken herumfahren. Es war Dinio, der atemlos die Stufen heraufgerannt kam, außer sich vor Verzweiflung. Ohne rechts oder links zu schauen stürzte er auf die Liege des toten Gildeältesten zu, warf sich davor zu Boden und brach in bittere Tränen aus. Es waren die einzigen Klagelaute im Raum, die wahrhaftig klangen.
    Wasra sah noch einmal die Fotografie in seiner Hand an, dann steckte er sie in die Tasche. Er tauschte einen Blick mit Stribat, und wieder verstanden sie sich ohne Worte.
    Als sie wieder vor dem Gildehaus standen, ging die Sonne unter, glutrot wie geschmolzenes Metall. Die beiden Panzer auf dem Platz schimmerten in ihrem Licht wie kostbare Edelsteine. Der ritualhafte Singsang der heulenden und jammernden Gildemeister ließ die Szenerie wie ein Traumbild wirken.
    »Das ist Nillians Foto, nicht wahr?«, fragte Stribat.
    »Ja.«
    »Das heißt, er war hier.«
    Wasra beobachtete die Händler, die ihre Stände für die Nacht schlossen und ab und zu nachdenkliche Blicke zum Gildehaus herüberwarfen. »Ich weiß nicht, ob es das heißt.«
    »Vielleicht ist er entkommen, hat eine nette Frau kennen gelernt und lebt seither glücklich irgendwo auf diesem Planeten«, überlegte Stribat laut.
    »Ja, vielleicht.«
    »Drei Jahre … Er kann schon zwei Kinder haben inzwischen. Wer weiß, vielleicht hat er sogar selber angefangen, einen Haarteppich zu knüpfen?«
    Er ist tot, dachte Wasra, mach dir nichts vor. Sie haben ihn umgebracht und verscharrt, weil er etwas gegen den Kaiser gesagt hat. Den unsterblichen Kaiser. Verdammt, es hatte nur einen einzigen Tag gedauert, ihn zu stürzen, aber die zwanzig Jahre seither kämpften sie jeden Tag aufs Neue, ihn auch zu besiegen.
    »Das Landungsboot!«, platzte Stribat heraus und zupfte ihn aufgeregt am Ärmel. »Wasra! Was ist mit dem Landungsboot?«
    »Welchem Landungsboot?«
    »Dieser Nillian muss mit einem Landungsboot gekommen sein. Und das können wir aufspüren!«
    »Das hat man längst gefunden, schon damals«, erklärte Wasra. »Und man hat verkleidete Kundschafter ausgesandt, die sich umgehört haben. Nillian war wegen Ketzerei gefangen genommen worden, und ein Haarteppichhändler hatte ihn mitgenommen in die Hafenstadt. Daraufhin hat man sich in der Hafenstadt umgesehen, aber Nillian ist niemals hier angekommen.« Wasra hatte die Berichte von damals studiert. Sie waren nicht besonders gründlich gemacht worden – es hätte sogar erheblicher Anstrengungen bedurft, um auch nur die Stadt wiederzufinden, in deren Nähe Nillian gelandet war – und auch nicht sehr ergiebig. Die Haarteppiche waren als nette Kuriosität betrachtet worden, und ansonsten hatte sich jeder im Geiste schon auf dem Heimflug gesehen. Die Stimmung damals war gewesen: Er hatte den Befehl, nicht zu landen, und er ist trotzdem gelandet – das hat er nun davon.
    »Wäre es nicht sinnvoll gewesen, wenn uns der Partner Nillians begleitet hätte?«
    »Sicher«, nickte Wasra. Er spürte eine Woge von Erschöpfung, die sich in seinem Körper ausbreitete, und wusste, dass es mehr war als nur ein körperliches Phänomen. Es nahm kein Ende. Nichts nahm ein Ende. »Nur ist er tot. Er war bei den Freiwilligen, die den ersten Sturm auf die Portalstation unternahmen, und einer dieser fliegenden Kampfroboter hat ihn erwischt.«
    Stribat gab einen unartikulierten Laut von sich, der wohl so etwas wie Verwunderung ausdrücken sollte. »Wie kommt ein KALYT-Pilot dazu, sich freiwillig zu einem Kampfeinsatz zu melden?« Als Wasra nichts erwiderte, grunzte er eine Weile weiter, wie es manchmal seine Art war, wenn er nachdachte. »Und wie kommt der General dazu, ihn zu akzeptieren?«
    Wasra hörte nicht auf sein Gemurmel. Gedankenverloren starrte er den gewaltigen Rumpf der SALKANTAR an, der sich in der Ferne mächtig in den Himmel erhob, dunkel gegen die untergehende Sonne und entlang der Umrisslinie silbern schimmernd. Wie alle Raumschiffe gehörte es in den Weltraum; auf der Oberfläche eines Planeten wirkte es wie ein Fremdkörper.
    Und doch, dachte der Kommandant missmutig, würde die SALKANTAR noch lange hier stehen bleiben. General Karswant würde nicht eher zur Zentralwelt aufbrechen, bevor er nicht von ihm, Kommandant Wasra, etwas über das Schicksal Nillians erfahren hatte. Und

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