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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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nicht weglassen, würde ihn nicht in Ruhe lassen, nicht in London. Zu spät begriff Jim, daß hinter ihm jemand die Treppe heraufgekommen war.

    Eine moderate Tracht Prügel, erklärte Albert und schickte die beiden anderen raus. Jim ließ die Augen geschlossen. Von nebenan hörte er Bens Stimme. Er bewegte die Beine und dachte, daß er wie ein Baby dalag, vorsichtig streckte er das rechte, dann das linke Bein. Anscheinend blutete er noch immer, es kitzelte am Kinn, am Hals. Der linke Arm schmerzte unerträglich, ausgekugelt, dachte er und schloß die Augen fester, wie ein Tier, dachte er und spürte, daß ihm die Tränen kamen. Mit einer jähen Bewegung gelang es ihm, die Schulter wieder einzukugeln, der Schmerz schoß ihm ins Gehirn, trennte ihn vom Körper ab. Die Beine lagen jetzt gerade, und als Albert sich näherte, wußte er, was gleich geschehen würde, Albert kam von vorne, traf die Kniescheibe des linken Beins; Jim schrie auf. Als er wieder zu sich kam, war es sehr still. Mühsam richtete er sich auf, verlor das Gleichgewicht, fand es wieder, stützte sich mit der rechten Hand ab, öffnete die Augen, sah Alberts erschrockenes Gesicht. Im Zimmer standen nur ein Tisch und ein paar Stühle. Das also war Alberts neues Büro, wie er geschrieben hatte, die Wände frisch gestrichen, das zweite Zimmer diente wohl als Lager, Autoradios, Mobiltelefone, Alarmanlagen, was Albert in Charing Cross verkaufte, gebraucht oder auch neu, alles ein paar Pfund auf dem Weg zu Alberts Traum von einem Restaurant in Kensington. –Was denkst du nur von mir? murmelte Albert in scheinbarer Betrübnis, streckte die Hand aus, um Jim aufzuhelfen. Du hast mich hereingelegt, weißt du ja.
    Jedem sein kleiner Traum. Ein Restaurant in Kensington. Ein Haus mit einem Garten und einem Kirschbaum darinnen. Was es bei Ben war, wußte Jim nicht, er sah dessen breites Gesicht durch den Türspalt linsen, schüttelte sich. Scheiß der Hund drauf. Kein Haus, kein Kirschbaum. Mae war verschwunden, und sie würden ihn zwingen weiterzumachen. Es kam nicht einmal darauf an, ohne Mae. Er spürte brennende Scham. –Wir wollen dir wirklich nur helfen, Albert verzog das Gesicht zu einem bedauernden Grinsen, hielt ihm ein Foto von Mae hin, mit dem üblichen Text der Vermißten-Poster in den U-Bahn-Stationen. Es war nicht das erste Mal, daß Jim auf einem der Poster ein Gesicht erkannte, halbe Kinder meistens, die, so wie er, in der Liverpool Street Station oder King’s Cross St. Pancras aus dem Zug kletterten, gierig und dumm, bald hungrig, bereit, sich jedem an den Hals zu hängen, der ihnen ein paar Pfund und eine Fortsetzung ihres Traums von was auch immer versprach, bereit, im Dreck nach dem zu wühlen, was sie sich unter Leben vorstellten, dem wahren Leben, sogar mutig auf ihre Weise, auch wenn sie nicht wußten, wogegen sie aufbegehrten und wozu. Und dann kehrten sie, wie er und Albert, zu einem kleinen, unerreichbaren Traum zurück, einem Bild geruhsamen Friedens, das ihnen ihre überreizten Hirne vorgaukelten, eine kindische Oase, in der alle Hoffnung wohnte, und sie bildeten sich ein, entdeckt zu haben, was ihr Stolz war, ihr Ziel, ihre Sehnsucht. Wenn es zu spät war. Ein paar von ihnen hatte Jim zusammengeschlagen, in Alberts Auftrag oder weil sie ihn piesackten, und er hatte nie viel dabei empfunden, eine gewisse Beruhigung allenfalls. Ganz kurz Verzweiflung, etwas, das erst nur ein feiner Riß war und plötzlich schmerzte, wie ein Messer, das ein Stück aus dem eigenen Kopf herausschnitt, die Erinnerung herausschnitt. Er hatte sich vorgestellt, daß er Mae einmal davon erzählen könnte, wenn sie miteinander schliefen, wenn er in ihren Armen lag, bevor er einschlief. In dem Riß war immer auch ein Licht, etwas Gleißendes. Maes Foto in den U-Bahn-Stationen. Vermißt. Nachrichten erbeten unter, private Handy-Nummer, oder wie stellte Albert sich das vor? Jim starrte auf das Bild. Er hatte kein Foto von ihr. Bewegte den Arm vorsichtig, stöhnte auf. Er mußte sich konzentrieren. Sie war ganz nahe, nicht in Rufweite, aber so, daß er nur die Hand nach ihr ausstrecken mußte. Wenn er sich erinnern könnte. So heftig die Sehnsucht, daß er es kaum aushielt, als wäre etwas aus ihm herausgerissen. Albert grinste. Er ging ins Nebenzimmer und kam mit einem Briefchen zurück, bereitete drei lines vor. –Erinnerst du dich, Jim, wie du von einem Schlußstrich gequasselt hast? Daß du einen Strich unter alles ziehen wolltest, aufs Land ziehen? Jim schwieg,

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