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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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wie staubleicht die Körperchen auf ihr landeten, hielt den Atem an oder atmete behutsam, um sie nicht wegzupusten. Vielleicht hatten sie Fallschirme, wie Löwenzahn im Frühling, weiße, gleitende Fallschirme. Dave sagte, er würde sie bald wieder in den Park mitnehmen, aber ihre Eltern erlaubten nicht, daß er sie mitnahm, und dann war seine Schule da, wo auch der Park war, man mußte an dem riesigen Tor vorbeigehen, das von Daves Mitschülern bewacht wurde, und selbst wenn sie einen Bogen machten, waren irgendwo auf einer Bank oder auf dem Hügel, wo Leute ihre Drachen steigen ließen, die Schüler, dort, wo Leute auf Bänken saßen und miteinander redeten und sich küßten. Dave sagte nichts, aber Sara wußte, daß er Angst hatte, wenn sie einem von ihnen begegneten. Sein Gesicht wurde spitz und blaß, und seine Hand schwitzte. Er fing manchmal an, vor sich hin zu reden, so leise, daß nicht einmal sie es verstehen konnte, er redete mit sich selbst, sogar im Schlaf redete er, und nur wenn die Eltern in der Nähe waren, verstummte er. –Wir gehen weg, sagte er zu Sara, du und ich, sobald ich alt genug bin.
    Aber Sara wußte, daß es nie geschehen würde. –Doch, sagte er, ich bin der Prinz und hole dich auf einem Pferd. Aber er würde sie nicht mitnehmen, so wie er sie zum Schwimmen nicht mehr mitnahm, –es geht nicht, little cat, sagte er, ohne ihr in die Augen zu schauen. Wenn ich dich mitnehme, kriege ich sofort Ärger. Er zog ihr vorsichtig das T-Shirt aus und verzog das Gesicht. Sie hielt still, obwohl es weh tat, wenn er mit dem Finger über die blauen Flecken strich. Mit ihren Fallschirmen, dachte Sara, konnten sie überall hin. Es war besser, nicht schwimmen zu gehen, als wenn Dave sich mit ihrem Vater stritt, ihretwegen, weil sie nicht mit zum Schwimmen durfte. Dave schrie Dad an, daß er ein Mörder sei. Und dann rief Dad Sara zu sich, in seiner Stimme etwas, das ihr angst machte, –komm her, Kleine, und sie hatte Daves Blick gespürt, ohne ihn zu erwidern. Daves Blick auf ihrem Rükken, auf ihrem Gesicht, mit aller Kraft wollte er, daß sie sich zu ihm drehte, den Blick erwiderte, zu ihm lief. Sie hatte ihn verraten, –und was hat es dir genützt? fragte er bitter, denn ihr Vater hieß sie hinknien, und dann befahl er, daß sie den Gürtel, den er gelöst hatte, aus den Schlaufen zog, weil er ihr Vater war. Daves Blick wie der eines Fallschirmspringers, der zu Boden stürzte, weil sich sein Fallschirm nicht geöffnet hatte. Und dann riß Dave sich los, stürmte, ohne daß Mum versuchte, ihn aufzuhalten, aus der Wohnung und auf die Straße hinaus, während Sara vor Dad kniete und der Gürtel sauste. Fallschirmspringer verließen sich darauf, daß der Fallschirm sich rechtzeitig öffnete, hatte ihr Dave erklärt, sie trauten der Luft und dem Stoff, aus dem der Fallschirm gemacht war, schlossen die Augen und spürten, wie sie fielen, aber ohne Angst, und dann hatten sie eine Leine, an der sie mit einem Ruck zogen, damit sich der Stoff aufspannte, so daß sie sacht zu gleiten, zu schweben anfingen, mit einem Lächeln im Gesicht. Sie hatte es nicht verstanden und nicht fragen wollen, weil Dave nicht gelächelt, sondern sie ernst angeschaut hatte, als müsse sie verstehen, was er ihr sagte. –Wenn die Leine reißt, zum Beispiel, dann stürzen sie ab und sterben. So war jetzt Daves Blick, und sie kniete, wimmerte, als sie die Hand spürte, mit der Dad ihr die Hose runterziehen wollte. Weil sie sich mehr fürchtete, nackt zu sein, als vor den Schlägen, ließ sie sich zur Seite fallen. Dave war hinausgerannt. Und Dad ließ sie wieder los, fluchend, drehte den Gürtel um, so daß er das weiche Ende hielt und es nicht darauf ankam, ob sie die Hose anhatte oder nicht, und Mum stand still in der Tür, um sie ins Bett zu schicken, wenn es vorbei war. –Warum machst du ihn wütend? fragte Mum. Mum zog sie nicht aus, und sie mußte sich nicht waschen, obwohl Flecken auf der Hose waren, fast nichts, sagte Mum wegwerfend zu ihr. Alles würde morgen vorbei sein, nur daß sie stilliegen mußte, weil es weh tat, und es war laut, als wären die blauen Flekken, die weh taten, laut. –Deswegen, sagte Dave, und sie war traurig, weil seine Stimme böse klang, wegen der blauen Flecken kann ich dich nicht mitnehmen, begreifst du das nicht? Sie mußte die Augen fest schließen, um sich vorzustellen, daß diese winzigen Wesen, Prinzessinnen oder Feen, auf sie niedersanken und da- und dorthin schwebten, ohne ihr weh zu tun,

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