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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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böse. Sie ärgerte sich trotzdem über ihn; womit war er beschäftigt? Mit seinem Mandanten Miller? Mit der Villa in Treptow? Er legte Geld in die Schale, die auf der Kommode stand, nie vergaß er, einen neuen Schein hineinzulegen, das war das Haushaltsgeld, das Geld, das sie verbrauchte, wenn sie nicht von ihrem Berliner Konto etwas abhob. –Was willst du heute abend essen? fragte Isabelle laut und deutlich, doch Jakob war nach oben gegangen. Sie war unruhiger als in Berlin, als wäre der Stoffwechsel angeregt. Drei- oder viermal in der Woche kochte sie ein warmes Abendessen. Trug Tüten in die Küche, stellte sie auf dem Kühlschrank ab, begann aus- und einzuräumen; diesmal kehrte sie noch einmal zum Eßtisch zurück und zur Zeitung, die über einer Stuhllehne hing. –Vielleicht brauchen wir doch einen Fernseher, rief sie zu Jakob hoch. Sein Handy klingelte, sie hörte die Töne durch die Decke, Schritte, seine Stimme. Isabelle ging in die Küche, schnitt dickes Plastik auf und griff nach dem kalten, glatten Fleisch. Im Ofen, dachte sie, mit Knoblauch und Wein und Thymian. Entweder Butter oder Olivenöl. Seit ihrer Ankunft in London, seit dem ersten Abendessen mit Alistair und Erbsen in Pfefferminzsoße, machte ihr das Kochen Spaß. Jakobs Stimme ließ sich hören, war aber nicht für sie bestimmt. Offenbar telefonierte er immer noch. Etwas Zitronensaft. Pfeffer. Der Herd erwärmte sich langsam. Sie würde den Reis ebenfalls im Ofen machen. Das Küchenfenster öffnete sich auf den Garten, sie hatten ihn noch nicht benutzt, nicht einmal betreten, als wäre er exterritorial. Das Eß- und Wohnzimmer war morgens blendend hell, alle Zimmer zur Straße hin blendend hell, sobald die Sonne schien, von nichts gehindert, von den kahlen Zweigen der Platanen nicht aufgehalten. Die Teppiche waren fast weiß. –Sollten wir uns angewöhnen, die Schuhe auszuziehen? rief sie nach oben, doch Jakob hörte nicht. Decken. Kerzen. Weil man frieren, weil man sich in der Dunkelheit fürchten könnte. Der Klang seiner Stimme machte klar, daß er ihr nicht beistehen würde. Kerzen, Decken. In Bagdad allerdings rechnete man mit Sandstürmen, mit Hitze. –Aber wir müssen doch daran denken, was all den Menschen zustoßen wird, hatte Alexa gesagt, als verteidigte Isabelle, da sie in London war, den Angriff. Sie hatten beide nicht gewußt, wie viele Tote es im letzten Golfkrieg gegeben hatte. Isabelle erinnerte sich an das Fernsehbild eines Mannes, der schluchzend in die Knie gebrochen war, das Gesicht in den Händen barg, weil er fürchtete, daß er gleich erschossen würde. Keine Grausamkeit, die man sich nicht ausmalen konnte. Könnte ich sie mir ausmalen? fragte sich Isabelle. Aber sie wollte nicht. Und Jakob kam langsam, Schritt für Schritt, die Treppe herunter. Sie wollte ihm um den Hals fallen und sich in seinen Armen sicher fühlen, sicher genug, um sein Gesicht zu streicheln, die nachwachsenden Bartstoppeln, die rötlichen Augenbrauen, die etwas zu fleischigen Wangen, die in London etwas dünner geworden waren. War er dünner geworden? Sie waren erst seit sieben Monaten verheiratet. Am Fuß der Treppe stand sie, sah hinauf, so lange es ging. Dann stand er neben ihr, zögernd, nachdenklich, dem Telefongespräch nachlauschend, unzufrieden. –Es war, sagte er schließlich, mein Vater, der fragte, ob du nicht zurückwolltest, zurück nach Berlin, falls es dort sicherer wäre. Wie albern, fügte Jakob hinzu. Decken und Batterien, so ein Unsinn, erinnerst du dich, wie es während des ersten Irak-Kriegs war? 1990 in Freiburg, als sie sich mit Konservendosen eindeckten, vermutlich in die Mülltonnen kippten, was sie nach Tschernobyl eingekauft hatten. All die Ängste für nichts und wieder nichts. Ob ich dich nicht nach Berlin schicken wolle, hat mein Vater gefragt, kannst du dir das vorstellen? Du machst dir keine Sorgen, oder? Sie entfernte sich, machte einen Schritt auf die Küche zu. Hühnchen mit Zitrone einreiben, dann die Gewürze. Sie rochen nach Heu, unbestimmt, einander allzu ähnlich. Sie wollte den Kopf an seiner Schulter vergraben. Aber Jakob war mit etwas beschäftigt, das weder sie noch den Krieg betraf. Wenn sie morgens in ihr Arbeitszimmer hinunterging, hörte sie die Nachbarn, lauthals, stampfend, stoßend, unerklärlich, was sie dort taten, hinter der Wand, oder es war mucksmäuschenstill, als wäre die Wohnung verlassen. Die Straße entlang fuhr der Milchwagen, nicht immer zur gleichen Zeit, und ein alter Mann mit

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