Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
irgendwelchen Arbeiten einteilst, möchte ich bitte schön vorher gefragt werden. Ich habe bis zum letzten Tag vor den Ferien jede Menge in der Schule zu tun.»
«Ach, und ich stehe das ganze Jahr nur dumm rum und drehe Däumchen, oder wie?» Katja geht auf Angriff.
Aus den Boxen erklingt:
«All around is Harmonie …»
Na, passender kann man es kaum ausdrücken.
«Moment!», gehe ich dazwischen. «An Heiligabend ist meine Engel-Schicht um zwölf Uhr zu Ende. Ich könnte also das Gänslein abholen …» Ich stocke, denn das ist
die
Gelegenheit, endlich die Wahrheit zu sagen. «Obwohl ich genauso gut drauf verzichten könnte. Nach vier Wochen Geschenke einpacken, nervigen Kunden und Dauerberieselung mit Weihnachtsliedern ist mir nicht mehr nach feiern und großem Gedöns. Eigentlich würde ich viel lieber nur die Beine hochlegen, dazu Tee trinken und ein belegtes Brot essen.»
Au weia! So direkt wollte ich es eigentlich nicht formulieren. Aber zu spät, jetzt ist es raus.
Katja starrt mich an, als wolle ich das größte Fest des Jahres weltweit abschaffen. «Verzichten? Auf Weihnachten! Womöglich auch auf Geschenke und den geschmückten Baum? Und was willst du deinen Enkeln sagen?» Den letzten Satz flüstert sie nur.
War ja klar, dass sie die Enkel-Karte ausspielt. «Nein, nein, nicht auf das Fest an sich», beruhige ich sie. «Nur auf den fetten Braten.»
Sie atmet erleichtert auf und legt den angebissenen Lebkuchen zur Seite. «Seit wann magst du denn keine Gans mehr?» Der protestierende Unterton in ihrer Stimme ist nicht zu überhören.
Ich weiß natürlich, dass sie um ihren Festtagsbraten kämpft, dennoch suche ich nach einer Erklärung für meine Unlust. «Na ja, weil mir die Kalorien bis zum Muttertag auf den Hüften sitzen … Außerdem ist mein Cholesterin zu hoch, und der Arzt hat mir geraten, nicht mehr so üppig zu essen», grummle ich leise. Vielleicht habe ich ein wenig übertrieben, aber manchmal heiligt der Zweck die Mittel.
Das Gesundheitsargument zeigt die gewünschte Wirkung. Katja reißt entsetzt die Augen auf und presst die Hand auf die Herzgegend, als würde es zu heftig schlagen. «Mama, warum sagst du denn nichts? Seit wann hast du das?»
«Gut, dass wir den Punsch ohne Alkohol angesetzt haben.» Bernd runzelt die Stirn. «Musst du Medikamente einnehmen?»
Ach du meine Güte! Ich wollte Katja lediglich die übertriebene Kocherei «ausreden», und jetzt machen sich beide unnötig Sorgen. «Nein, nein, ich muss nichts einnehmen. Sooo dramatisch ist es nicht. Der andere Cholesterinwert, also der gute, ist nämlich ziemlich hoch und gleicht das Schlechte wieder aus», rudere ich zurück. «Ihr müsst euch keine Sorgen machen.»
Katja atmet erleichtert auf. «Aber dann brate ich trotzdem ein Putenschnitzel für dich, das ist ganz mager. Knödel und Blaukraut darfst du aber essen?»
Na super! Anstatt weniger Arbeit, beschere ich ihr noch zusätzliche durch meine doofe Schwindelei.
«Deshalb enthalten die Plätzchen, die ich gestern mit den Jungs gebacken habe, auch kaum Zucker. Aber wenn wir sie hübsch bunt verzieren, kommen sie sicher trotzdem gut an. Was meinst du, Katja?»
Großzügig erteilt sie die Erlaubnis. Zu meinem Glück. Jan und Eric hätten mir sonst bis zum nächsten Fest gezürnt.
«Und jetzt beginnen wir endlich mit der Planung für Heiligabend», sagt sie energisch.
Es gibt kein Entrinnen. Was meine zielstrebige Tochter sich einmal in den Kopf gesetzt hat, zieht sie durch. Ich biete noch einmal die Abholung des Federviehs an.
«Der Bio-Fleischer schließt bereits um eins», informiert Katja mich. «Schaffst du das?»
«Kein Problem», versichere ich. «Anschließend schaue ich auf einen Sprung an Papas Grab vorbei und laufe spätestens um halb zwei hier ein.»
«Prima!» Endlich lehnt sie sich entspannt zurück. «Und mein geliebtes Biotönnchen stellt den Baum auf …» Sie stockt. «Vorausgesetzt, wir haben bis dahin einen.»
«Wenn dein ganzes Weihnachtsglück an diesem ultimativen Wunderbaum hängt, klappere ich morgen nach der Schule sämtliche Baumverkäufer der Stadt ab», verspricht Bernd augenrollend. «Irgendeiner von den Händlern wird doch so einen blöden Baum haben.»
Katja sendet Bernd einen Blick, der mindestens so viele Funken sprüht wie eine Wunderkerze.
«Ganz sicher findet er einen», versuche ich zu schlichten. «Robert Hirsch plant dieses Jahr übrigens eine große Weihnachtsparty, wie die Amerikaner sie feiern», plaudere ich
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