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Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)

Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)

Titel: Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Bluhm
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weiter, um ja keinen neuen Unfrieden zu stiften. «Mit vielen Gästen und fröhlicher Musik.»
    «Fremde Leute an Weihnachten!?» Katja zieht entsetzt die Augenbrauen hoch. «Das geht ja wohl gar nicht! Heiligabend gehört der Familie. Es ist doch wunderschön, gemütlich zusammenzusitzen und einfach zu genießen, dass man eine liebe Familie hat. Freunde trifft man frühestens am zweiten Feiertag. Aber das sieht Robert mal wieder ähnlich. Er war immer schon so ein unsensibler Lackaffe. Im Gegensatz zu seiner Schwester. Wie geht es Solveig denn?»
    «Sehr gut! Sie ist Designerin geworden und verkauft ihre eigenen Mützen-Modelle auf dem Weihnachtsmarkt am Stephansplatz.» Begeistert berichte ich von Solveigs Marktstand.
    «Ach ja, der schwul-lesbische Christkindlmarkt», sagt Bernd. «Der soll völlig anderes sein als die traditionellen Märkte. Ein Kollege hat mir davon erzählt. Lass uns deine alte Schulkameradin doch mal besuchen», schlägt er Katja vor. «Das wäre ein netter Ausflug mit den Kindern am nächsten Adventsonntag.»
    Sie mustert ihn kurz. «Nur wenn du bis dahin meine Tanne besorgt hast!», entgegnet sie wie die gestrenge Lehrerin, die Belohnungen für gutes Betragen verteilt.
    Bernd grinst. «Gebongt! Baum gegen Ausflug.»
    «Ein Weihnachtswunder!», sage ich launig und kündige an, ebenfalls mitzukommen.

16. Dezember, Montag,
noch 8 Tage bis Weihnachten

    Neue Woche – altes Einpackspiel. Für den heutigen Montag war ich ursprünglich von vier bis acht zur Spätschicht eingeteilt. Doch dann klingelte das Telefon, während ich noch gemütlich mit der Zeitung beim Frühstückskaffee saß. Die Personalchefin war dran. Ob ich eine Stunde früher, um drei anfangen könne. Eine Kollegin sei erkrankt. Kein Wunder, in der miefigen Kaufhausluft schwirren die Viren durch die Gegend wie Schneeflocken im Wintersturm!
    Bloß nicht krank werden, sage ich mir, als ich gegen halb drei loslaufe. Der Fußmarsch durch die kalte Luft wirkt hoffentlich abhärtend. Zusätzlich motiviere ich mich mit positiven Gedanken:
Heute sind nur nette Kunden unterwegs, die alle unbegrenzt Zeit und freundliche Worte für mich übrig haben …
Denn nichts macht das Immunsystem anfälliger für Krankheiten als Stress.
    Auf dem Weg in den neuen Arbeitstag fängt es an zu schneien. Dicke Flocken fallen aus schneeschweren Wolken, decken die Straßen zu und verpassen Autos und Hausdächern weiße Mützen.
    Ich muss an gestern Abend denken. Als ich mit den Jungs die zuckerlosen Kekse verziert und wir so ganz nebenbei Katjas klinisch saubere Küche verwüstet haben, wollten die Kinder wissen, was der Weihnachtsmann im Sommer macht.
    Während ich erklärte, dass er sich im Sommer ausruhen würde vom anstrengenden Geschenkeverteilen und dabei vor einigen Jahren zufällig den Solarantrieb erfunden habe, schrieb Katja ihr Weihnachtsplanbuch: Wer welche Einkäufe zu erledigen hat, wann welches Zimmer geputzt werden und wann sie mit den Kochvorbereitungen beginnen muss. Am Ende zeigte sie Bernd im Internet, woran man eine Coloradotanne erkennt, und erstellte eine Liste sämtlicher Baumverkäufer der Stadt. Die Deutsche Bahn wäre sicher neidisch auf diesen bis in die letzte Nanosekunde durchdachten Fahrplan. Sie hat nichts vergessen. Der Rest steht in den Weihnachtssternen.
    Im Packcenter herrscht überraschend wenig Betrieb.
Geht doch
, freue ich mich, und verdränge die Tatsache, dass Montagnachmittag nicht unbedingt zu den heißen Shoppingtagen gehört und noch volle fünf Stunden vor mir liegen. Die unvermeidliche Musikschleife versuche ich ebenfalls zu ignorieren.
    Gegen 18  Uhr wird es dann spürbar voller. Und in der letzten Stunde nerven hektische Kunden im Zehn-Minuten-Takt. Gemeinsam mit einer neuen Aushilfe schufte ich wie im Akkord. Lissy ist eine junge, füllig blondgelockte Frau mit rosa Apfelwangen und hellblauen Sternchenaugen. Typ Weihnachtsengel.
    «Letztes Jahr hab ich in einer Parfümerie-Kette gepackt», erzählt sie gleich zu Beginn unserer gemeinsamen Schicht. «Und bin jeden Tag mit Kopfschmerzen nach Hause gegangen. Dagegen ist das hier wie Urlaub.»
    Kurz vor Ladenschluss spendiert sie uns in einer kundenfreien Sekunde einen
Kürzesturlaub
: zwei, drei Sprüheinheiten
Angle
, ein furchtbar teures Eau de Parfum, das herrlich nach Orangen und Schokolade riecht. Genussvoll atmen wir den belebenden Duft ein, als ein Männerorgan das sinnliche Vergnügen beendet.
    «Hallooo!» Ich drehe mich um und blicke in das

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