Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
erwähnen», mahne ich dennoch. «Die ist nämlich komplett gegen Geschenke und möchte dieses Jahr sogar auf ihres verzichten. Sie will den Gegenwert lieber an eine wohltätige Organisation spenden.»
Katja stöhnt gequält. «Ach, Fräulein Wohltätigkeit ist mal wieder auf dem Ich-rette-die-Welt-Trip!»
«So verkehrt finde ich den Gedanken nicht. Es gibt doch wirklich viel Leid auf der …»
«Mama, bitte», fällt sie mir ins Wort. «Mir bricht auch das Herz, wenn ich an die vielen hungernden Kinder in den armen Ländern denke, deshalb haben wir übrigens schon vor Jahren eine Kinderpatenschaft übernommen.»
«Davon hast du gar nichts erzählt», erwidere ich und lobe sie ausgiebig. «Damit kannst du bei Madeleine punkten.»
«Man muss seine guten Taten nicht unbedingt an die große Glocke hängen», entgegnet sie leicht schnippisch, was aber indirekt an Madeleine gerichtet ist.
«Um auf die Weihnachtsgurke zurückzukommen – was hältst du von
zwei
Gurken, für jeden der Jungs eine?»
«Oh, das wäre lieb, danke, Mama. Damit wäre ein streitfreier Heiligabend gesichert. Aber nur, wenn es dir nicht zu viel wird, ich meine finanziell.»
Das ist typisch für meine Große. Auch wenn sie manchmal ziemlich übertreibt, denkt sie den Bogen doch immer bis zu Ende.
«I wo», wehre ich ab. «Zwei kleine Gürkchen können nicht die Welt kosten, und was sollte ich sonst mit dem riesigen Vermögen anfangen, das ich als Packengel verdiene?»
«Lass das bloß nicht Fräulein Wohltätigkeit hören, Mama. Für ihren Feldzug gegen die Armut nimmt sie dir auch noch die Butter vom Brot», kontert sie sarkastisch und verabschiedet sich lachend. «Also vielen Dank, Mama, hab einen schönen Tag. Wir sehen uns ja morgen. Du kommst doch zum Krippenspiel?»
«Selbstverständlich. Das würde ich nie versäumen. Bis morgen.» Ich stecke das Mobilteil in die Basisstation, schlüpfe in Schuhe und Mantel und mache mich auf den Weg.
Kurz vor dem Sendlinger Tor, wo ich in einem Fotoladen die Kameratasche für Madeleine erworben habe, fällt mir ein, dass ich den Umtausch eigentlich auch heute erledigen könnte. Also schnell wieder zurück.
Auf halber Treppe treffe ich Frau Janatscheck.
«Servus, Frau Amberger», grüßt sie mit schmalem Lächeln, wobei sie sich mit der Hand auf die Stirn schlägt. «Jetzt, wo ich Sie sehe … Ich bin Ihnen doch noch ein Packerl Staubzucker …»
«Hat keine Eile», unterbreche ich sie, damit ich ihr entkomme. Denn für einen langen Plausch fehlt mir die Zeit.
«Wolln S’ net auf ein Schalerl Kaffee vorbeikommen?» Sie scheint fest entschlossen, dieses Jahr nichts schuldig zu bleiben. «Dann können S’ die Platzerln probiern.»
«Vielen Dank, Frau Janatscheck, ich würde ihr Gebäck wirklich sehr gerne kosten. Leider habe ich eine Verabredung mit meiner Tochter. Ein andermal!»
Als ich dann mit der Kameratasche losmarschiere, fängt es nach wenigen Metern heftig zu regnen an, was einen Schirm und somit einen erneuten Aufstieg in meine Dachstube erfordert. Dieses Mal ohne Nachbarn zu begegnen und Einladungen ablehnen zu müssen. Allerdings muss ich jetzt Madeleine anrufen, denn inzwischen kann ich die vereinbarte Zeit nicht mehr einhalten.
«Kein Thema, Mama», sagt sie locker. «Ich erledige inzwischen meine Einkäufe für die Reise.»
Endlich scheine ich sämtliche Stolpersteine überwunden zu haben. Vorsorglich ein letzter Kontrollblick nach Geldbörse, Quittung der Kameratasche und Katjas Liste. Alles da. Beruhigt laufe ich los. Mit dreißig Minuten Verzögerung. Wie kam ich nur auf die Idee, in zwei Stunden wieder auf meinem Sofa liegen zu können?
Unterwegs suche ich nach einem plausiblen Grund, warum ich das Geschenk umtauschen möchte.
Es habe nicht gefallen
klingt zwei Wochen vor dem Fest ziemlich unglaubwürdig. Am Fotoladen ist mir immer noch keine Umtauscherklärung eingefallen. Um nachzudenken, krame ich nach der Quittung. Erstanden habe ich die Tasche vor einer Woche, am zehnten Dezember. Natürlich, der Zehnte! Warum bin ich da nicht gleich drauf gekommen?
«Guten Tag, gnä Frau, womit kann ich dienen?», erkundigt sich ein schwarzhaariger Verkäufer und schenkt mir ein karges Lächeln. Der Mann muss mindestens so alt sein wie die antiken Kameras in der Vitrine, was ich sowohl aus der steifen Wortwahl als auch aus dem pechschwarz gefärbten dünnen Haupthaar schließe. Sogar die Kopfhaut hat was abbekommen.
«Vielen Dank, ich hoffe sehr, dass Sie mir helfen
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