Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
können», säusle ich beim Abstellen der Einkaufstüte. «Diese Tasche sollte ein Geburtstagspräsent für meine Tochter sein», behaupte ich, ohne rot zu werden, während ich sie aus der Tüte hole und dann aus meiner Handtasche die Quittung angle. Madeleine hat tatsächlich an einem Zehnten Geburtstag. Zwar erst im Sommer, aber das weiß nur ich. «Leider kam die Tasche nicht an … Respektive, sie hat nicht gefallen … Genauer gesagt, sie ist zu klein … Kurzum, meine Tochter ist Profifotografin, und ich habe unterschätzt, welch umfangreiches Equipment sie zu verstauen hat.»
Ohne auf meine logischen Argumente einzugehen, zupft er mir den Kaufbeleg aus den Fingern, kontrolliert ihn stirnrunzelnd und starrt mich dann mit flackerndem Blick an. «Tut mir leid, gnä Frau, reduzierte Ware ist vom Umtausch ausgeschlossen», bemerkt er spitz.
Mist! Sie war tatsächlich reduziert, und soweit ich weiß, ist er in diesem Fall nicht zu einem Tausch verpflichtet. Im ersten Moment will ich schon aufgeben, doch einen Wimpernschlag später beschließe ich, penetrant zu werden. «Wäre es wohl möglich, den Geschäftsführer zu sprechen?», verlange ich mit gestrafften Schultern. Ein Trick, der viel bewirkt und den ich von Katja übernommen habe.
«Steht vor Ihnen!» Mit hochgezogenen Brauen überreicht er mir den Beleg. «Die Tasche kann ich dennoch nicht zurücknehmen. Wie gesagt: reduzierte Ware …»
Mir ist nach deftigen Flüchen, nur würde es wenig helfen. «Hmm …» Seine Weigerung ignorierend, bleibe ich unbeweglich stehen. «Und was schlagen Sie vor?»
Er mustert mich, als wäre ich komplett unterbelichtet. «Ich verstehe nicht?!»
«Wie bereits erwähnt, ist meine Tochter Profifotografin», wiederhole ich, in der Hoffnung, dass er meine Andeutung versteht.
«Ja und?»
Jesses Maria und Josef, wie kann ein Mensch nur so begriffsstutzig sein? «Ich würde ihr dieses Fachgeschäft gerne als kulante Adresse nennen. Wenn Sie verstehen?»
Es dauert, bis ich seiner Miene ansehe, dass seine geistige Dunkelkammer von einem Blitzlicht erhellt wird – um ein Bild aus dieser Branche zu bemühen.
«Na gut, wenn Sie drauf bestehen, nehme ich die Ware ausnahmsweise zurück. Aber ich kann Ihnen lediglich einen Gutschein anbieten.»
«Gutschein?»
Er nickt. «Noch mehr kann ich Ihnen beim besten Willen nicht entgegenkommen.»
Ob das meiner wohltätigen Tochter gefällt, wage ich zu bezweifeln. Aber wem sollte sie die Tasche spenden? Außerdem verspüre ich wenig Lust, das relativ schwere Teil auf der Shoppingtour mitzuschleppen. Enttäuscht willige ich ein. Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen für die weiteren Einkäufe.
Madeleine und ich sind an der Mariensäule verabredet. Wegen des Regens gönne ich mir eine kurze U-Bahn-Fahrt zum Marienplatz, denn für heute bin ich bereits genug gelaufen. Den Nichtmünchnern sei verraten, dass besagte Säule ein beliebter Treffpunkt ist, sich am Marienplatz (eigentlich logisch) und zurzeit inmitten des Christkindlmarktes befindet. Als ich Madeleine vorhin am Telefon von Katjas geplanter Einführung der Gurken-Tradition berichtet habe, war ihre Reaktion überraschend positiv. So blieb es mir erspart, Überzeugungsargumente aus dem Ärmel schütteln zu müssen.
Auf dem Münchner Vorzeige-Markt herrscht bereits dichtes Kopf-an-Kopf-Gedränge. Viele Münchner, die in der näheren Umgebung arbeiten, verbringen hier ihre Mittagspause.
Um zum Treffpunkt zu gelangen, muss ich mich durch die Massen der Weihnachtssüchtigen schlängeln, aber Madeleine kann ich nirgends entdecken. Sie wird doch nicht wütend abgezogen sein, weil ich die angekündigte Verspätung auch noch überzogen habe? Doch nach kurzem Warten erspähe ich einen farbigen Punkt in der vorwiegend dunkel gekleideten Menschenmasse, der sich langsam nähert und als meine Tochter entpuppt. Die lila Steppjacke, aber vor allem der farbenfrohe Schal, mit dem sie ihre Locken wie eine afrikanische Stammesprinzessin hochgebunden hat, fällt wohltuend auf.
«Hallo, Mami.» Sie küsst mich auf die Wangen. «Ich hab mein Schlafhörnchen und den internationalen Elektrostecker bekommen und war auch schon spionieren, wo diese ominösen Gurken angeboten werden», berichtet sie.
«Und?»
«Eigentlich dachte ich, dass man mich für gaga erklären würde, aber welch Überraschung, sämtliche Baumschmuckhändler haben Gurken im Sortiment.» Sie hakt mich unter und zieht mich mitten rein in die Glitzerwelt der Verkaufsbuden.
Es
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