Die hässlichste Tanne der Welt (German Edition)
sie stoisch. «Und dann san die Burschn also noch im Kindergarten, da dat ich Ihnen die da empfehlen.» Sie reicht mir einen Karton mit durchsichtigem Deckel, in dem zwei tannengrüne Gurken mittlerer Größe mit goldenem Krönchenaufhänger auf Watte gebettet sind. «Neunzehn neunzig, bitt schön.»
Als ich die täuschend echt nachgebildeten
sauren
Gurken betrachte, fällt mir ein, was Katja über die Farbe gesagt hat. «Haben Sie die auch in Silbriggrün?»
«Des san die Original-Weihnachtsgurken», entgegnet sie beleidigt, als habe ich ihre Ware kritisiert. «Was g’fallt Ihnen denn nicht an den Klassikern?»
«Ich finde sie sehr schön, aber meine Tochter hätte gerne silbrige», antworte ich und berichte von der besonderen Coloradotanne, die eben nicht tannengrün ist.
«Typisch Katja, immer ’ne Extrawurst, ewig muss es was ganz Spezielles sein, damit sie auffällt», motzt Madeleine.
«Coloradotanne! Des hab i ja no nie ghört.» Die Marktfrau verdreht die Augen. «Oh mei, oh mei … Was sich die Leut alles einfalln lassen … Gurken san doch allerweil noch grün wie die Christbäum, wo war denn sonst der Gag?» Anscheinend glaubt sie nicht, dass silbrige Weihnachtsbäume überhaupt existieren.
«Ob wir noch mal rumschauen?», flüstere ich Madeleine zu.
«Da werden S’ koa Glück haben», kommentiert die Standlfrau, die meine Frage offensichtlich gehört hat. «I woas, dass die Kollegen a nur grüne Gurken verkaufn. Sie könnten aber auch die mit dem Silberflitter für fünfundzwanzig Euro nehmen, die san quasi silbriggrün, aber auch sehr auffällig.»
Ein überzeugendes Argument. Aber ich entscheide mich für die Klassiker in Grün. Mal abgesehen von Katja, die garantiert Stress macht, wenn ich ohne Gurken ankomme, sind die
falschen
immer noch besser, als gar keine. Ich reiche also einen Zwanziger über die Kugelansammlung hinweg, stecke die grünen Gurken ein und kann den ersten Punkt auf der Liste abhaken. Wurde aber auch Zeit.
Als ich Madeleine Richtung Theatinerstraße dirigiere, stoppt sie. «Mami, hier riecht es aber verdächtig nach Luxuseinkauf. In dieser Gegend liegen auf jedem Artikel doch fünf Euro für die Einkaufstüten. Willst du wirklich deinen gesamten sauer verdienten Lohn für überteuerte Geschenke verprassen?» Sie blickt mich fragend an, als habe ich nicht den leisesten Schimmer, dass wir uns in einer von Münchens teuren Einkaufsmeilen befinden. Aber ich kenne meine jüngere Tochter gut genug, um zu wissen, dass sie im Grunde nur gegen die große Schwester und deren Weihnachtswahn stänkert. Ihren geliebten Neffen gönnt sie jede Zuwendung, sonst hätte sie mir die Gurken von Anfang an ausgeredet.
«Bis jetzt habe ich gerade mal zwanzig Euro
verschwendet
, also keine Rede von Luxus», besänftige ich sie. «Und es ist nicht gesagt, dass wir tatsächlich finden, was Katja für die Jungs aufgelistet hat … Da fällt mir ein, hast du denn schon Geschenke?»
Sie grinst mich frech an. «Ich bin Weihnachten nicht im Lande, schon vergessen? Katja und ich schenken uns doch schon seit Jahren nichts.»
«Nein, ich habe deine Reise nicht vergessen», antworte ich. «Aber ich wusste nicht, dass du auch den Kindern den Spaß verderben willst.»
«Was heißt hier
auch
den Kindern? Hast
du
nicht beim Plätzchenbacken angedeutet, dass du ebenfalls genervt bist und dir der ganze Weihnachtswirbel gestohlen bleiben kann? Soweit ich mich erinnere, wolltest du sogar komplett darauf verzichten!» Sie vergräbt die Hände in den Taschen ihrer Jacke. «Davon abgesehen, finde ich Katjas Wünsche total übertrieben. Das würde ich an deiner Stelle nicht unterstützen. Bei genauer Betrachtung besitzen sie bereits alles doppelt und dreifach …»
«Sie und Bernd wünschen sich nur Bücher, das finde ich eher genügsam», wende ich mit leiser Strenge ein. «Für Jan und Eric soll ich Pullis besorgen, was ich unterstütze, denn die Jungs schießen in die Höhe wie die Spargelstangen im Mai und brauchen ständig neue Sachen. Wenn du eines Tages eigenen Nachwuchs hast, wirst du merken, dass sie ihre Klamotten kaum länger als ein paar Monate tragen können. Du bist in dem Alter auch schneller gewachsen, als ich neue Hosen anschaffen konnte …»
«Von wegen, ich musste die ollen Plünnen von Katja auftragen. Von neuen Outfits konnte
ich
nur träumen.»
Das stimmt zwar teilweise, aber dass sie darunter gelitten hat, war mir nie bewusst. Erschrocken blicke ich sie an. «Wenn du es so empfunden
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